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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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jede Menge zu tun«, hatte er noch vor ein paar Stunden getönt. Aber jetzt, kaum zweieinhalb Stunden später, saß ihm der Typ mit den großen Augen schon wieder gegenüber, und alles war fix und fertig und erledigt. Selbst im Bücherregal in Carls Rücken stand inzwischen die Fachliteratur, und zwar alphabetisch sortiert. Alle Aktenordner hatten Nummern auf dem Rücken und standen bereit. Innerhalb von zweieinhalb Stunden hatte der Mann alle aufgetragenen Arbeiten erledigt, so war das.
    In Carls Augen durfte er nun eigentlich gern nach Hause gehen.
    »Hast du einen Führerschein?«, fragte er Assad. Im Stillen hegte er die Hoffnung, Marcus Jacobsen hätte vergessen, das in Betracht zu ziehen, sodass die Stellenbesetzung erneut diskutiert werden konnte.
    »Ich fahre Taxi, PKW und Lastwagen, einen T-55- und auch einen T-62-Panzer und gepanzerte Fahrzeuge und Motorräder mit und ohne Beiwagen.«
    Als sie an dem Punkt angekommen waren, schlug Carl ihm vor, sich für die nächsten Stunden in aller Ruhe auf seinen Stuhl zu setzen und in den Büchern im Regal hinter ihm zu lesen. Carl zog das nächstbeste Buch heraus: >Kriminaltechnisches Handbuch< von Polizeiinspektor A. Haslund. Warum auch nicht? »Achte beim Lesen gut auf die Satzstruktur, Assad. Da kann man viel  lernen. Hast du viel auf Dänisch gelesen?«
    »Ich lese alle Zeitungen, hab die Verfassung studiert und alles andere auch.«
    »Alles andere?«, sagte Carl. Das hier würde also nicht ganz leicht werden.
    »Löst du vielleicht auch gern Sudokus?«, fragte er und gab Assad sein Heft.
 
    Am Nachmittag hatte Carl vom langen Sitzen Rückenschmerzen. Assads Kaffee war ein Erlebnis, ein erschütternd starkes, Carls Schlafbedürfnis vom Koffein torpediert, und irritiert spürte er, wie das Blut durch seine Adern raste. Also hatte er angefangen, in den Akten zu blättern.
    Einige der Fälle kannte er bereits bis zum Überdruss. Aber die weitaus meisten Akten kamen aus anderen Polizeibezirken, und einige stammten sogar noch aus der Zeit, bevor er bei der Kriminalpolizei angefangen hatte. Gemeinsam war allen Fällen, dass die Ermittlungen personalintensiv gewesen waren, dass sie in den Medien große Aufmerksamkeit bekommen hatten und dass die Aufklärung bis zu dem Punkt vorangetrieben worden war, wo schließlich alle Spuren endeten. In mehreren Fällen waren Bürger involviert, die einen hohen Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit genossen.
    Wenn er sie grob vorsortierte, ergäben sich drei Kategorien. Die erste und größte Gruppe waren die üblichen Mordfälle.
    Bei denen konnte man zwar plausible Motive finden, aber keinen Täter.
    Der zweite Typ waren ebenfalls Morde, die aber von der Anlage her weit komplexer waren. Bei einigen davon ließ sich nur schwer ein Motiv finden. Es konnte auch mehrere Opfer geben. Gelegentlich gab es rechtskräftige Verurteilungen, aber nicht der Hauptschuldigen, sondern nur von sogenannten Mitwirkenden. Eine gewisse Beliebigkeit haftete diesen Fällen an, und manches Mal lag dem Ganzen eine Tat im Affekt zugrunde. Hier halfen oftmals glückliche Zufälle bei der Aufklärung. Das günstige Zusammentreffen von Ereignissen. Zeugen, die zufällig vorbeikamen, Fahrzeuge, die noch für ein anderes Verbrechen benutzt worden waren, und dergleichen mehr. Auch Denunziantenturn. Es handelte sich durchweg um Fälle, die der Polizei größte Schwierigkeiten bereitet hatten, sofern die Ermittlungen nicht von einer Portion Glück begleitet waren.
    Und dann gab es noch die dritte Kategorie, ein Sammelsurium an Morden oder vermuteten Morden in Verbindung mit Entführung, Vergewaltigung, Brandstiftung sowie räuberische Überfälle mit Todesfolge, Elementen von Wirtschaftskriminalität und einige auch mit politischen Untertönen. Das waren Fälle, bei denen die Polizei definitiv an ihre Grenzen gestoßen war, und sogar Fälle, bei denen das Rechtsbewusstsein der Ermittelnden auf eine harte Probe gestellt wurde. Das Kind, das aus seinem Kinderwagen verschwand. Der Bewohner eines Pflegeheims, der in seiner Wohnung erdrosselt wurde. Ein Fabrikbesitzer, den man auf einem Friedhof in Krup ermordet aufgefunden hatte. Der Fall einer Diplomatengattin im Zoologischen Garten. Wie ungern Carl es sich auch eingestehen mochte - Piv Vestergårds Wahlgeschenk machte in gewisser Weise Sinn. Denn keiner dieser Fälle würde einen waschechten Kriminalbeamten kaltlassen.
    Er nahm sich noch eine Zigarette und sah hinüber zu Assad.
    Ein ruhiger Mann, dachte er. Wenn

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