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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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in Holstebro bestimmt gut ankam. Aber nicht bei Carl Mørck.
    »Das brauche ich nicht«, sagte der Politiker. »Ich habe vor meinen Parteifreunden nichts zu verbergen.«
    »Uns ist Ihr ausgesprochen großes Interesse für Merete Lynggaard zu Ohren gekommen. Unter anderem haben Sie ihr ein Telegramm geschickt: eines zum Valentinstag.«
    Baggesen wurde zwar einen Hauch blasser, aber das selbstsichere Lächeln blieb.
    »Ein Telegramm zum Valentinstag?«, sagte er. »Daran kann ich mich nicht erinnern.«
    Carl nickte. Eine fette Lüge, das sah man dem Mann an. Natürlich erinnerte er sich. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, einen anderen Ton anzuschlagen.
    »Als ich Sie bat, die Tür zu schließen, tat ich das, weil ich Sie ohne Umschweife etwas fragen will. Haben Sie Merete Lynggaard ermordet? Sie waren doch sehr verliebt in sie. Hat die Dame Sie womöglich abgewiesen? Worauf Sie die Beherrschung verloren? War es so?«
    Eine Sekunde lang schien der sonst so selbstsichere Baggesen mit jeder Faser zu erwägen, ob er nicht einfach aufstehen und die Tür zuknallen sollte. Er sah jedenfalls aus wie kurz vorm Schlaganfall, und seine Hautfarbe konkurrierte mit seinen roten Haaren. Carl kannte seine Pappenheimer, aber die Reaktion dieses Mannes war anders. Hatte er etwas mit dem Fall zu tun, könnte er, der Reaktion nach zu urteilen, genauso gut gleich sein eigenes Geständnis aufschreiben. Und wenn nicht, dann gab es da auf jeden Fall etwas anderes, das ihn in die Ecke trieb. Sein Mund stand offen. Wenn Carl jetzt nicht vorsichtig war, klappte ihm der Mann zusammen. Nie zuvor in seinem Leben auf der Überholspur hatte Tage Baggesen so etwas zu hören bekommen, das war eindeutig.
    Carl versuchte ihm zuzulächeln. Irgendwie wirkte diese heftige Reaktion auch versöhnlich. Als befände sich in diesem auf zahllosen Empfängen gemästeten Körper noch immer ein gewöhnlicher Mensch.
    »Hören Sie, Tage Baggesen. Sie haben Nachrichten für Merete Lynggaard hinterlegt. Viele. Meretes ehemalige Assistentin, Marion Koch, hat Ihre Annäherungsversuche mit großem Interesse verfolgt, das kann ich Ihnen versichern.«
    »Hier im Haus schreibt jeder solche gelben Zettel.« Baggesen versuchte sich leger zurückzulehnen, aber es gelang ihm nicht.
    »Wollen Sie damit sagen, dass die Zettel, die Sie ihr schrieben, nicht privater Natur waren?«
    An dieser Stelle erhob sich der Parlamentsabgeordnete und schloss leise die Tür. »Dass ich starke Gefühle für Merete Lynggaard hegte, ist korrekt«, sagte er steif. Dabei sah er so aufrichtig bekümmert aus, dass er Carl fast leid tat. »Ihr Tod ist mir sehr nahegegangen; ihn zu akzeptieren, war schwer.« Er lächelte verunsichert. Jetzt hatte Tage Baggesen nichts mehr von dem selbstsicheren Politiker an sich.
     »Wir wissen, dass Sie Merete Lynggaard im Februar 2002 eine Karte zum Valentinstag geschickt haben. Das Telegrammbüro hat uns das heute bestätigt.«
    Jetzt wirkte er fast wie verloren. Die Vergangenheit schien ihm tatsächlich zuzusetzen.
    Er seufzte. »Ich wusste ja genau, dass sie kein Interesse an mir hatte. Leider. Das wusste ich doch schon lange.«
    »Und trotzdem haben Sie es noch mal versucht?«
    Er nickte ergeben.
    »Was stand in dem Telegramm? Bitte halten Sie sich dieses Mal an die Wahrheit.«
    Er legte den Kopf nachdenklich zur Seite. »Nur das Übliche. Dass ich sie gerne treffen würde. Ich erinnere mich nicht genau. Das müssen Sie mir glauben.«
    »Und dann brachten Sie die Frau um, weil sie Sie nicht wollte?«
    Die Augen des Politikers wurden ganz schmal, und er presste die Lippen fest aufeinander. In dem Moment war Carl schon geneigt, ihn festnehmen zu lassen. Dann sah er, dass dem Mann die Tränen kamen. Tage Baggesen hob den Kopf und sah Carl direkt an. Nicht wie den Henker, der einem jeden Augenblick die Schlinge um den Hals legen wird, sondern wie einen Beichtvater, wie jemanden, dem man endlich sein Herz ausschütten kann.
    »Wer bringt denn den Menschen um, der ihm das Leben lebenswert erscheinen lässt?«, fragte er.
    Eine Weile sahen sie sich stumm an. Dann wandte Carl den Blick ab.
    »Wissen Sie, ob Merete Lynggaard hier Feinde hatte? Nicht Menschen, mit denen sie sich auf politischer Ebene Gefechte lieferte, sondern richtige Feinde.«
    Tage Baggesen wischte die Tränen weg. »Wir alle haben hier Feinde, aber wohl kaum das, was Sie darunter verstehen.«
    »Niemand, der ihr nach dem Leben trachtete?«
    Tage Baggesen schüttelte den Kopf. »Das würde mich sehr

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