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Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Disziplin und Entbehrung bedeuten. Harte Kost für ein Einzelkind, das seine Eltern bedingungslos verehrte. Vermutlich war ihr Verhältnis von einer Hassliebe gekennzeichnet - anders war es wohl nicht zu erklären, dass eine erwachsene Frau immer wieder bei ihren Eltern aus- und einzog.
    Er sah zu ihrer Freundin hinüber, die, in weite wallende Gewänder gekleidet, mit einer qualmenden Zigarette im Mundwinkel dasaß und darüber wachte, dass Carl sie nicht belästigte. Sie würde schon für feste Leitlinien im zukünftigen Dasein von Søs Norup sorgen, das war mal sicher.
    »Ich habe gehört, dass Merete Lynggaard sehr zufrieden mit Ihnen war.«
    »Aha.«
    »Ich würde Sie gern ein paar Sachen zu Merete Lynggaards Privatleben fragen. War es denn Ihrer Meinung nach denkbar, dass Merete Lynggaard schwanger war, als sie verschwand?« Søs Norup rümpfte die Nase und zog den Kopf zurück. »Schwanger?« So wie sie es sagte, konnte damit nur irgendeine schlimme ansteckende Krankheit gemeint sein.
    »Nein, das war sie garantiert nicht.« Sie warf einen Blick zu ihrer Lebensgefährtin und verdrehte die Augen.
    »Und wie kann man da so sicher sein?«
     
»Ja, was glauben Sie wohl? Wenn sie so super organisiert gewesen wäre, wie alle glaubten, dann hätte sie doch wohl nicht ständig Monatsbinden bei mir schnorren müssen. Und zwar
jedes
Mal, wenn sie ihre Menstruation bekam.«
    »Heißt das, kurz bevor sie verschwand, hatte sie ihre Menstruation ?«
    »Ja, in der Woche vorher. Solange ich da war, hatten wir sie immer zur gleichen Zeit.«
    Er nickte. Sie würde es schon wissen. »Hatte sie denn, Ihrer Kenntnis nach, zu der Zeit einen Freund?«
    »Danach bin ich schon hundertmal gefragt worden.«
    »Frischen Sie mein Gedächtnis auf.«
    Søs Norup nahm sich eine Zigarette und klopfte sie auf den Tisch. »Alle Männer glotzten die Lynggaard an, als wollten sie sie am liebsten sofort auf dem nächsten Tisch flachlegen. Aber woher soll ich wissen, ob einer von denen was mit ihr hatte?«
    »Im Polizeibericht steht, dass sie ein Telegramm zum Valentinstag erhielt. Wussten Sie, dass Tage Baggesen das geschickt hat?«
    Sie zündete die Zigarette an und verschwand in einer blauen Wolke. »Keine Ahnung.«
    »Und Sie wissen auch nicht, ob zwischen den beiden etwas lief?«
    »Ob zwischen denen was lief? Das ist fünf Jahre her, wie Sie wissen.« Sie blies ihm den Rauch genau ins Gesicht, was ihre Freundin mit einem angedeuteten Lächeln quittierte.
    Er wedelte mit der Hand den Rauch weg. »Hören Sie. Ich bin in vier Minuten verschwunden. Aber bis dahin tun wir so, als wollten wir uns gegenseitig helfen. Okay?« Er sah Søs Norup direkt in die Augen, die immer noch versuchte, ihr Selbstmitleid hinter einem feindseligen Blick zu verstecken. »Ich sage jetzt Søs zu Ihnen, okay? In der Regel bin ich nämlich mit denen per du, mit denen ich meine Zigaretten teile.«
    Sie legte die Hand mit der Zigarette auf den Schoß.
    »Ich frage Sie jetzt, Søs: Wissen Sie etwas über irgendwelche Affären unmittelbar vor Merete Lynggaards Verschwinden? Ich zähle mal ein paar Dinge auf, Sie können mich zwischendurch unterbrechen.« Er nickte ihr zu, aber sie reagierte nicht darauf. »Gab es Telefongespräche sehr privaten Charakters? Kleine gelbe Zettel, die auf ihren Tisch gelegt wurden? Annäherungsversuche von Menschen, die nicht beruflich mit ihr zu tun hatten? Bekam sie Pralinen, Blumen, hatten sie neue Ringe an ihrer Hand? Errötete sie, wenn bestimmte Namen fielen? Wirkte sie gelegentlich unkonzentriert an den Tagen vor ihrem Verschwinden?« Er sah den Zombie, der ihm gegenübersaß, an. Ihre farblosen Lippen hatten sich keinen Millimeter bewegt. Nach eine Sackgasse. »Hatte sie sich irgendwie verändert, ging sie zum Beispiel früher, verschwand sie aus dem Plenarsaal, um draußen auf dem Gang mit dem Handy zu telefonieren? Kam sie morgens später?«
    Wieder sah er sie an und nickte ihr nachdrücklich zu, als könnte sie das von den Toten erwecken.
    Sie nahm noch einmal einen tiefen Zug, dann drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus. »Sind Sie jetzt fertig?«, fragte sie.
    Er seufzte. Was hatte er denn auch von dieser Ziege erwartet? »Ja, ich bin fertig.«
    »Gut.« Sie hob den Kopf. Eine Frau mit einer gewissen Würde, das wurde ihm in dem Moment klar. »Ich habe der Polizei von dem Telegramm erzählt und davon, dass sie eine Verabredung im Cafe Bankerät hatte. Ich habe gesehen, wie sie das in ihren Kalender eintrug. Ich weiß

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