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Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Erbarmungslos: Thriller (German Edition)

Titel: Erbarmungslos: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Henshaw
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des Spions waren besser als dessen Infos. Kyra hatte versucht, Rigdon zur Vernunft zu bringen, was für eine Anfängerin wie sie ein aussichtsloses Unterfangen war. Stationsleiter benahmen sich wie Platzhirsche und hatten die Macht, einen Berufsanfänger aus dem Land zu jagen. Von den Unberechenbaren wusste man, dass sie aus reiner Willkür handelten, doch Rigdon war eher arrogant als launisch, was seine Sünde nur größer machte. Die Unberechenbaren sahen ihre Fehler vielleicht ein. Einige der anderen höheren Beamten hatten sich hinter Kyra gestellt, und Kyra hatte mehr als nur ein Mal gehört, wie hinter Rigdons verschlossener Bürotür gebrüllt wurde, während sie draußen gewartet hatte. Doch der Stationsleiter hatte alle Bedenken mit einer ungeduldigen Handbewegung abgetan. »Der Spion ist immer noch auf unserer Seite und arbeitet für uns«, hatte er gesagt. »Seine Loyalität ist die Garantie für unsere Sicherheit.«
    So etwas Dummes hatte Kyra in ihrem ganzen Leben noch nicht gehört.
    Also lief sie unbewaffnet durch die Straßen. Eine Glock ließ sich dem SEBIN gegenüber nicht wegerklären. Vorsicht war ihre einzige Verteidigung, doch der Verkehr auf der autopista und der Lärm des vorbeiströmenden Wassers waren ein Angriff auf ihre Ohren, und die Straßenlaternen machten ihre nächtliche Sehkraft zunichte. Jede mögliche Route zum Treffpunkt machte das Aufspüren von Beobachtungsposten zu einem Albtraum.
    Kyra verfluchte sich, weil sie sich aus Feigheit Rigdons Befehl nicht widersetzt hatte.
    Schließlich tauchte nach einer Stunde Marsch die Fußgängerbrücke vor ihr auf. Sie war mehr ein Gerüst als eine Brücke, wirkte mit dem Metallgitter als Boden nur halb fertig. Sie war zwanzig Meter lang, vielleicht zwei Meter breit und aus dunklem Metall, wahrscheinlich verrostet und vergammelt, nachdem das Wasser bei Flut auch das Geländer und die Hohlräume unter dem Boden überschwemmt hatte. Wahrscheinlich war die Brücke mit Weinranken überwuchert, vermutete Kyra.
    Zwanzig Meter entfernt tauchte endlich die Silhouette des Spions zwischen den Bäumen auf, doch mehr konnte Kyra nicht erkennen. Die Lichter auf der Brücke waren gelöscht, ob wegen fehlender Birnen oder kaputter Kabel wusste sie nicht. Doch sie sah, wie der Spion einen glimmenden cigarro an die Lippen hob, dessen Ende für eine Sekunde hell aufleuchtete, bis er den Stumpen fortwarf und das kleine Licht im Wasser erlosch.
    Eine Straßenlaterne markierte das Ende der Brücke, wo sie auf den Bürgersteig mündete. Kyra erreichte die Stelle, blieb stehen und stellte sich vor den Lichtkegel. Damit würde der Spion nur ihre Silhouette, nicht aber ihr Gesicht sehen.
    Angespannt ließ sie den Blick über den Bereich vor sich gleiten. Die Straßenlaterne beleuchtete lediglich die Baumlinie vor ihr. Keine Bewegung, kein Geräusch jenseits des Wassers oder der Autobahn.
    Sie hatte ein ungutes Gefühl. Eine bessere Erklärung hatte sie nicht.
    Der Spion sah sie und drehte sich um. Jetzt hatte sie zweifelsohne seine volle Aufmerksamkeit. Als er sich eine zweite Zigarre anzündete, sah Kyra im Schein des Feuerzeugs kurz sein Gesicht. Mit gerunzelter Stirn schob er das Feuerzeug in seine Tasche zurück. Er konnte in der Dunkelheit ihre Umrisse erkennen. Sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, doch er hatte mit Sicherheit einen Mann erwartet, keine Frau.
    Dann tat er genau das Falsche.
    Er winkte sie zu sich.
    Kyra ballte ihre Hände zu Fäusten, ein Ventil gegen ihre Nervosität. Mit Pokergesicht neigte sie den Kopf in seine Richtung, während sie im Bruchteil einer Sekunde die Situation erfasst hatte.
    Du kennst mich nicht , dachte sie. Sie waren sich nie begegnet. Sie war nicht die Führungsoffizierin dieses ausländischen Spions. Ein paranoider Spion hätte sich um seine Sicherheit gesorgt, wäre skeptisch gewesen, dass eine Fremde, vielleicht eine Touristin, was hier zu dieser späten Stunde aber unwahrscheinlich war, an einem dunklen, abgeschiedenen Treffpunkt auftauchte. Hätte er vermutet, sie gehöre dem venezolanischen Staatsschutz an, hätte er so tun müssen, als beachte er sie nicht. Es hätte an ihr liegen müssen, ein verabredetes Zeichen zu geben, um nicht nur ihre Identität zu bestätigen, sondern auch, um zu zeigen, dass sie nicht verfolgt wurde. Dann hätte er seinerseits mit dem entsprechenden Zeichen antworten müssen. Dieses einfache Protokoll hatte der Spion missachtet.
    Nervös? Das war der einzige logische Grund für sein

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