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Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Erbe des Drachenblutes (German Edition)

Titel: Erbe des Drachenblutes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Thamm
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warum niemand außer ihm in die Tiefen von Crudus Cor – dem blutenden Herzen , wie die Festung auch genannt wurde – vorstoßen durfte.
    `Mein Freund, bist du das?´, fragte eine vertraute Stimme in seinem Geist. `Wer sollte es sonst sein, alter Mann?‘, fragte er gelangweilt zurück.
    `Ich bin so froh, dass du hier bist. Ich fühle mich so einsam, und du warst seit Wochen nicht mehr hier, oder ist es schon länger her? ´ Der Sprecher in seinem Kopf klang tatsächlich erleichtert, voller Überzeugung, dass der einsame Wanderer auf dem Weg zu ihm war.
    Er schnaufte. ` Lass es gut sein, alter Mann. Es hat seinen Grund, warum ich schon so lange nicht mehr bei dir war: Ich habe Besseres zu tun! Und auch heute bin ich nicht hier, um dich zu besuchen. Du weißt, wohin ich will, wohin ich muss.´
    Die Stimme schwieg einige Herzschläge lang. Er hoffte schon, dass er mit der kurzen Erklärung davonkäme, doch dann vernahm er eine Antwort. `Ich weiß sehr wohl, wohin du gehst. Ich weiß auch, dass du jeden Tag heimlich dorthin schleichst und dabei sogar weite Umwege in Kauf nimmst, damit du nicht in die Nähe meiner Grotte musst, aber meinst du nicht, dass du mir einen gelegentlichen Besuch schuldest? Immerhin hast du von mir alles bekommen, was du dir jemals erträumt hast. Hätte ein Vater mehr für dich getan?´
    Darauf verfinsterte sich seine Miene. Seine Augen zogen sich zu feinen Schlitzen zusammen, und er blieb abrupt stehen. Seine schnell erwachte Wut schien auch der unsichtbare Sprecher zu bemerken. Die fremde Präsenz zog sich ein wenig aus seinem Bewusstsein zurück, geduckt, verschüchtert.
    `Alter Mann, ich habe es dir schon oft gesagt: Sprich nicht so leichtfertig von meinem Vater! Ich kenne niemanden, den ich mehr geliebt und mehr gehasst habe, und du weißt das. Du weißt es mehr als alle anderen Lebewesen auf diesem stinkenden Landstrich, also lass die alten Wunden ruhen!´ Er stieß knurrend dunkle Rauchschwanden aus seinen Nüstern. ` Und jetzt halte mich nicht länger auf! Immerhin ist es die Folge eines deiner Geschenke, dass ich schnell hinunter in die Wassergrotten muss. Meine Schuppen kleben schon vor Trockenheit, und manche Stellen meiner Haut sind wieder aufgesprungen. Nur aus dem Grund habe ich den Weg gewählt, er ist der kürzeste und schnellste zu der großen Meeresgrotte.´
    Die fremde Gegenwart zögerte, dann trat sie wieder in den Vordergrund. ` Aber mein Freund, es war dein Wunsch, jene Gestalt zu erhalten. Du sagtest mir, dass der Lebenswille deiner Art von dem Gefühl der Freiheit abhängig ist, und nachdem man euch die Freiheit der Lüfte gestohlen hatte, würdest du nichts mehr begehren als die Freiheit des Meeres. Das Wasser, das einzige Element, das dir hier noch zur freien Verfügung steht. Und hast du das nicht erhalten?´
    Er verdrehte die dunklen Augen. Aus einem Reflex heraus schüttelte er den Kopf, obwohl es niemand sehen konnte, nicht einmal der Sprecher in seinem Verstand. `Alter Mann, wir kennen uns schon ewig, vielleicht sogar schon zu lange … Ich versichere dir, dass mir die Bedürfnisse meiner Art nichts mehr bedeuten. Es ist sehr, sehr lange her, dass ich mir darum Gedanken gemacht habe. Heute zählen für mich nur noch zwei Dinge: die Rache an den jungen Völkern und meine eigene Freiheit. Abgesehen davon gibt es kaum noch welche meiner Art, die Drachen sterben aus .´
    `Was mir nur recht ist´, fügte er im Stillen noch hinzu, doch das schirmte er von der zweiten Präsenz ab.
    `Ich muss nun weiter.´ Den Gedanken formte er wieder bewusst in seinem Kopf, dann nahm er seinen Weg wieder auf.
    `Wirst du mich bald besuchen kommen, mein Freund? Ich fühle mich so einsam …´, hörte er die zweite Stimme bitten. Es schwang so viel Hoffnung darin, dass es ihn anwiderte.
    `Ja, ja. Natürlich komme ich bald und nehme mir ein wenig Zeit für dich.´ Erleichtert stellte er fest, dass sich die unsichtbare Gegenwart aus seinem Geist zurückgezogen hatte. Es schüttelte hin. Nach solch zeitverschwendenden Wortwechseln fragte er sich stets, warum er das ertrug. Sicher, er hatte den Alten gebraucht. Ohne ihn wär er ein Nichts geblieben und schon vor einer Ewigkeit an Altersschwäche gestorben, aber brauchte er ihn heute noch? Es stimmte, was der Alte gesagt hatte: Er hatte alles von ihm erhalten, was er sich erträumt hatte, aber mehr konnte der Alte auch nicht mehr für ihn tun. Er musste sich über die Tatsache Gedanken machen, aber jetzt stieg ihm der intensive Meeresgeruch

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