Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Selbstbeherrschung. »Es wird Zeit, dass wir dir eine richtige Aufgabe geben, damit du ausgelastet bist, Ignis. Eine Aufgabe, mit der du uns deine Loyalität beweisen kannst und trotzdem deinen Spaß haben wirst. Und wenn wir mit dir zufrieden sind, kleine Giftschlange, dann brauchst du auch keine Aufpasser mehr, die dir den ganzen Tag hinterherlaufen.«
Ignis wurde hellhörig. Ihre leeren Augäpfel fokussierten die alte, gebückte Koboldfrau. »Welche Aufgabe?« Medana zeigte amüsiert ihre Zahnstummel. »Wir wissen, was in Tempelburg geschieht. Als Konsequenz daraus werden deine Dienste sehr bald benötigt – außerhalb des dunklen Kontinents.«
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»Nirvan.« Es war nicht mehr als ein Flüstern, doch er blieb sofort stehen. Er blickte sich um, aber da war niemand.
»Nirvan«, erklang es erneut aus der Dunkelheit des Flures. Gerade erst hatte er Mina verlassen und sich auf dem Weg zu seinem Schlafgemach begeben, jetzt lauschte er ins Nichts hinein, mit der Hand an seinem Dolch.
»Wer ist da?«, fragte er in den scheinbar menschenleeren Flur hinein. Schon glaubte er, es sei ein Hinterhalt, da öffnete sich eine Seitentür, die vorher nur angelehnt gewesen war. Er sah die Bewegung und ergriff die Tür, um sie nach innen aufzustoßen.
»Nicht so stürmisch.« Die Frau in dem Raum blickte ihn anzüglich an.
»Melanie!« Seine Überraschung fesselte ihn kurz, doch dann entspannte er sich. »Unsere kleine Hofdame der Drachentochter, wie geht es dir? Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen.« Er reichte ihr eine Hand, die sie freundschaftlich ergriff.
»Gut, danke der Nachfrage.« Sie blickte sich misstrauisch um und schloss die Tür. »Es wird Zeit, Nirvan. Alles ist vorbereitet, und da nun das Kind zurückgekehrt ist, müssen wir unverzüglich handeln.«
Seine Stimmung kühlte augenblicklich ab. Er blickte zu Boden. »Ich weiß nicht ...«
Melanie runzelte die Stirn. »Was soll das heißen? Wir haben unsere Mission seit Jahren geplant. Alles lief auf einen ganz bestimmten Tag hinaus, und jener Tag, der unser aller Leben verändern kann, ist gekommen! Heute ist der Tag, Nirvan, und du weißt es!«
Er wirkte unruhig, seufzte laut. »Melanie, ich bin mir nicht mehr sicher, ob das alles richtig ist.«
»Richtig?« Sie klang, als wolle sie hysterisch werden. »Ob das alles richtig ist? Ist es denn richtig gewesen, was uns widerfahren ist? Ist es richtig gewesen, dass deine Mutter im Schuldturm verhungert ist und du als Leibeigener des obersten Hofmagiers in erbärmlichsten Verhältnissen aufgewachsen bist?«
Nirvan schüttelte den Kopf und erhob beschwörend seine Hände. »Ich bitte dich. Wir leben schon so lange hier. Du hast gelernt, dass es noch mehr Kummer und Leid in der Welt gibt als das, was wir auf dem dunklen Kontinent kennengelernt haben. Ich habe gelernt, dass man manche Dinge im Leben nicht beeinflussen kann, und möglicherweise …«, er zögerte, »… möglicherweise ist mein Vater nicht so schuldig, wie ich all die Jahre gedacht habe.« Als er die Worte ausgesprochen hatte, bemerkte er, dass es die Wahrheit war. Eine Wahrheit, die er sich bis jetzt nicht eingestehen wollte. Er schluckte schwer. Bis zu diesem Moment hatte er nur für einen Gedanken gelebt: Rache an seinem Vater zu nehmen, dem Mann, der seine Mutter und ihn ins Unglück gestürzt hatte. Doch nun wurde ihm klar, dass sein Vater für das Schicksal seiner Mutter möglicherweise doch nichts konnte.
»Du … du bist blind geworden, Nirvan! Du hast dich verändert! Was ist mit dir in den letzten Wochen geschehen? Wir waren beide unumstößlich von unserer Mission erfüllt, und nun zweifelst du?« Aufgebracht strich sie sich durch das Haar. Wild funkelten ihre Augen, doch dann verengte sich ihr Blick. »Es ist das Mädchen! Du bist in ihren Bann geraten! Diese Mina hat dich um den Finger gewickelt, deshalb zweifelst du an deiner Aufgabe!«
»Das ist nicht wahr!«, fauchte Nirvan.
»Doch, das ist es! Es ist die einzige logische Erklärung. Sie ist hübsch und so zerbrechlich, nicht wahr? Sie hat dein Herz erweicht.« In ihrer Stimme klangen Abscheu und Ekel. »Du bist ein Verräter, Nirvan, wenn du von dem rechten Weg abkommst! Wir haben beide eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen, und unsere ganze Heimat hofft auf unseren Erfolg!«
»Nein!«, rief er lauter als beabsichtigt. »Nicht unsere ganze Heimat wartet auf unseren Erfolg. Es ist das Monster, das sich Monarch schimpft! Er tyrannisiert jedes Leben auf dem
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