Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Kerzenlicht schimmerte. Schwindel überkam ihn. Es war aber nicht nur der Anblick seiner brutal niedergestreckten Herrin, der ihn aus der Fassung brachte. Nein, es war der Anblick der Person, die sich über die Leiche beugte. »Zados«, hauchte er ungläubig.
Eilig schoben sich die anderen Wächter an ihm vorbei und umstellten den Halbelben mit gezückten Schwertern. Alle wirkten entsetzt und schienen neben sich zu stehen, dennoch waren sie sich sicher, den Schuldigen, der diese unaussprechliche Tat begangen hatte, gefangen genommen zu haben.
Zados blickte den Heerführer an. Herdanik sah Tränen, die seine Wangen herunterströmten. Er sah aber auch, dass der Halbelb unzählige kleine Wunden und Kratzer im Gesicht und am Körper hatte. Insgesamt wirkte er heruntergekommen, als habe er in den letzten Tagen vieles durchgemacht.
»Sie war bereits tot, als ich durch die Tür trat«, antwortete Zados auf die ungestellte Frage. »Ich folgte den Kampfgeräuschen, doch als ich eintrat, war es schon zu spät.« Große Pein stand in seinen Augen geschrieben. »Ich konnte es nicht verhindern. Ich habe den Täter nicht einmal gesehen.«
Ein Ruf hallte durch die Flure und verbreitete sich schnell: »Unsere geliebte Regentin ist tot! Unsere Regentin wurde ermordet!«
Herdanik schluckte schwer, konnte nicht fassen, was er dort vor sich sah, doch dann besann er sich, packte einen Wächter grob am Arm und befahl ihm, im Palast für Ordnung zu sorgen. Ausbrechende Panik war das Letzte, war er gebrauchen konnte.
»So respektlos darf der Tod unserer Regentin nicht verbreitet werden«, sagte er mit schwerer Stimme. »Geh und bring die Menschen zum Schweigen!«
Dann musterte er Zados voller Kälte. »Du bist ein Freund der Drachentochter gewesen, Zados. Sie hat dir blind vertraut, dich über alle reinrassigen Elben gestellt, da die Menschlichkeit angeblich in deinem Herzen wohne.« Seine Worte klangen wie Gift. »Du warst nach dem Kampf mit den Wurzelfressern spurlos verschwunden, sodass wir dich schon für tot hielten, ein Umstand, der dir jegliche Bewegungsfreiheit verschaffte. Und jetzt finden wir dich hier, über der Leiche unserer geliebten Drachentochter?«
Er zeigte zum Eingangsbereich der Gemächer. »Ich sehe hier die besten vier Wachen Tempelburgs, erschlagen. Ich sehe Spuren des Kampfes, aber keine Spuren, die auf mehrere Eindringlinge hinweisen. Der Meuchelmörder muss ein unglaublich geschickter und gewandter Krieger gewesen sein. Höchstwahrscheinlich kein Mensch. Und er konnte offensichtlich einer Katze gleich von Dachzinne zu Dachzinne springen, um hier ungesehen einzudringen. Wer sonst hätte so nahe an unsere Regentin gelangen können?« Er trat einen Schritt näher. »Sag mir, Zados Eos van Da'ana aus dem königlichen Hause der Wanderelben, kennst du jemand anderen als dich, der dazu die nötigen Fähigkeiten besäße?«
Zados ließ den Kopf sinken. »Du irrst dich, Herdanik«, war das Einzige, was er hervorbrachte.
»Du bist ein Mörder! Wahrscheinlich bist auch du ein Spion des dunklen Kontinents und hast dir all die Jahre unsere Freundschaft nur erlogen und erschlichen! Nun erst zeigst du dein wahres Gesicht!«
Zados schaute ihn ausdruckslos an. Herdanik ergriff ihn an der Schulter und riss ihn nach hinten. »Sperrt ihn sofort in den Kerker!«
Die gebrochenen Augen der Regentin starrten ausdruckslos zur gewölbten Decke. Kein Hass, sondern Verwunderung stand in ihnen.
»Und bedeckt bitte ihr Antlitz.«
v v v v v
Mina stand mit ihrer Mutter auf einem steinernen Balkon, weit über den Dächern der Stadt. Sie war verwirrt, freute sich aber über die Schönheit des Anblicks und über die warmen Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Samantha legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie lächelte. »Mein Kind, das Leben ist eine einzige, nie endende Prüfung für uns. Dennoch müssen wir stark sein. Unzählige Existenzen hängen von unseren Entscheidungen ab.«
Mina genoss den frischen Wind, der ihr hier oben durch das Haar strich und ihr ein Gefühl von Freiheit vermittelte. »Mutter, ich hatte einen merkwürdigen Traum«, begann sie leise. Es war das erste Mal, dass sie Samantha `Mutter´ nannte. »In meinem Traum hörte ich wie Rufe durch den Palast hallten. Die sagten, dass du tot seist. Ich wollte ihnen entgegenbrüllen, dass das nicht stimmt, doch ich konnte nicht wach werden.« Sie konnte nicht weitersprechen, zu schlimm war die Vorstellung, dass das wahr sein könnte. »In dem Traum war ich wieder alleine«,
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