Erbe des Drachenblutes (German Edition)
dunklen Kontinent, und das schon so lange, dass niemand mehr weiß, wann er überhaupt an die Macht gekommen ist! Stets heißt es, dass Cor Keto ein direkter Nachfahre des mächtigen Drachenfürsten Terranus sei, doch kann er das beweisen? Ich meine, woher wollen wir das wissen? Solange ich denken kann, regiert dieses Vieh auf dem Thron und unterdrückt mit seinen Handlangern unser aller Leben. Allen voran mit dem Monster Sennus Nachtschatten! Er ist ein Tier, Melanie! Nein, er ist grausamer. Es wäre eine Beleidigung für jedes Tier, ihn so zu nennen. Ich weiß es besser als alle anderen. Wie du schon sagtest, jahrelang musste ich ihm als Leibeigener dienen, und auch wenn er seinen Geist im Körper eines Menschen verbirgt, ist er kein Mensch!«
»Nirvan!«, rief sie aufgebracht. Jeder Gedanke daran, leise oder unauffällig zu agieren, war vergessen. »Es ist unsere Mission!«
»Nein, es ist die Mission jener Tyrannen! Wir gehorchen nur, weil wir es nicht anders kennen. Du selbst bist in einer Gasse aufgewachsen. Du hast nichts besessen außer einem zerrissenen Kleid an deinem Leib, als du in die Dienste von Sennus getreten bist. Und warum hat er dich aufgenommen? Weil du schon damals bildschön und ohne Hoffnung warst! Er wusste, dass er dich eines Tages für irgendeine Mission gut einsetzen können würde. Und das tat er dann auch.«
Melanie winkte ab. »Es reicht. Wir reden hier ohne Sinn und Ziel. Wir haben beide eine Mission zu erfüllen, und gleich, was du sagst, ich lasse mich davon nicht abbringen.« Sie blickte ihn zweideutig an. »Es wäre auch zu spät! Ich habe meinen Teil bereits erfüllt!«
Nirvans Augen weiteten sich. Schwer atmete er aus, als Erkenntnis ihn überflutete. Nach einigen endlos scheinenden Sekunden des Schweigens packte er sie fest an den Oberarmen. Um seine Hände bildeten sich rötliche Schimmer. »Was hast du getan! Was hast du getan?«
Melanie verzog das Gesicht. Zum einen spürte sie einen aufsteigenden, brennenden Schmerz an den Stellen, wo Nirvan sie berührte. Zum anderen fühlte sie sich von seiner Schwäche angewidert, die er an den Tag legte. »Ich habe das getan, wofür ich hierhergekommen bin.«
»Oh, ihr Götter …«, hauchte er und ließ sie los. Melanie trat zurück. »Und was ist mit dir, Nirvan? Wirst du deinen Auftrag auch zu Ende bringen?«
Er blickte sie an wie ein gehetzter Wolf. Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und verließ eilig den kleinen Seitenraum. `Vielleicht ´, dachte er , `vielleicht ist es noch nicht zu spät!´
Zurück blieb die Hofdame Melanie, die stolz nach oben blickte und schweigend zu ihren Göttern betete.
Nirvan rannte. Er rannte, als ginge es um sein Überleben, was nicht unbedingt verkehrt war. In den letzten Wochen hatte er etwas kennengelernt, das er für sich selbst nie in Erwägung gezogen hatte: ein zufriedenes Leben, das ihn all seinen Kummer vergessen ließ. Jetzt aber hatte Melanie ihn wieder auf den Boden der Realität geholt. Einst, als sie beide unabhängig voneinander nach Tempelburg zum Spionieren ausgesandt worden waren, war er von seinem Auftrag überzeugt gewesen. Wie konnte es auch anders sein? Sein Leben lang hatte er nur Schlechtes erlebt, und wenn er nicht erbittert um sein Überleben gekämpft und nicht mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten die Aufmerksamkeit des obersten Hofmagiers geweckt hätte, wäre er wohl keine dreizehn Jahre alt geworden. Doch nun war alles anders. Melanie hatte recht, er hatte sich verändert. Möglicherweise war es ihm selbst nicht bewusst gewesen, bis sie es ihm gesagt hatte. Ja, jetzt, wo er mit ganzer Kraft durch die Flure lief, an einigen Soldaten und Wächtern förmlich vorbeischoss, wurde es ihm klar: Wahrscheinlich hatte tatsächlich Mina ihn beeinflusst. Mina, das Mädchen, dessen Gesellschaft seiner Seele Frieden schenkte. Doch darüber konnte er sich später Gedanken machen. Möglicherweise hatte Melanie ihr Werk noch nicht vollendet und er konnte das Schlimmste noch verhindern. Aber wie groß war die Chance? Hinter Melanies scheinbarer unauffälligen und schlichten Schönheit steckte eine perfekt ausgebildete Meuchelmörderin, die mit der Geschwindigkeit jedes Elben und der Kraft jedes jugendlichen Orks mithalten konnte. Sie war die Beste im Nah- und Dolchkampf, wie hoch also war die Chance, dass sie ihre Aufgabe nur halbherzig erfüllt hatte? Da hörte er es! Er war nur noch wenige Seitengänge von den Gemächern der weißen Regentin entfernt, da erklang ein
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