Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Alarmruf. Sofort blieb er stehen. Männer schrien aufgebracht durcheinander, Befehle schallten durch die Gänge, etwas Schrecklich war geschehen, etwas Unvorstellbares, und er hätte es verhindern können, verhindern müssen . Er schüttelte ungläubig den Kopf, als er die gebrüllten Worte verstand. Das wollte er nicht, nicht mehr. Sein Herz schmerzte, fühlte sich an, als ob es zerspringen wollte, doch es war zu spät. Er hatte alles verloren, wieder einmal.
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»Heerführer Herdanik Sann!«, brüllte der Wächter, der die Schreibstube förmlich stürmte. Der Wächter zögerte, dann stand er stramm und aufrecht vor seinem Kommandanten.
»Steh bequem. Was gibt es?« Der Soldat wirkte verunsichert und atemlos, doch dann hob er entschlossen den Kopf. »Heerführer, es wurde Alarm geschlagen!«
Wie unter Strom gesetzt, schoss Herdanik aus seinem Stuhl und schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Was soll das heißen?«
Der Soldat schluckte. »Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber im ganzen südlichen Bereich des Waldlichtturmes sind Unruhen ausgebrochen. Jemand berichtete, dass er einen Schatten auf den Zinnen gesehen hat.«
»Einen Schatten?«
»Ja, Herr! Es muss sich um einen Eindringling handeln, der angeblich leichtfüßig wie eine Katze von einem Giebel zum nächsten sprang und dann den Wächtern entkommen ist.«
»Wir müssen sofort die Regentin darüber informieren«, erwiderte Herdanik, doch der Wächter schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Herr … man sagte mir, dass der Eindringling auf dem Weg zu den Gemächern der Drachentochter war. Es heißt auch, dass es dort Kampfhandlungen gab.« Der Wächter stockte, sichtlich verängstigt von der kommenden Reaktion seines Heerführers.
Erst langsam begriff Herdanik die Tragweite des Gesagten. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ergriff er seinen Schwertgurt.
Zielstrebig eilte er in den Westteil des Sonnenflügels, der direkt neben dem Waldlichtturm lag und als schönster Teil des Palastes galt. Der Bereich war nur der Drachentochter und ihren engsten Vertrauten zugänglich, hier lagen ihre persönlichen Gemächer. Auf dem Weg dorthin sammelten sich weitere Wächter um ihn, folgten ihm und riefen ihm einige neue Informationen zu. Noch konnte er sich kein vollständiges Bild von den Geschehnissen machen, aber er ahnte, dass etwas Entsetzliches geschehen sein musste. Unverzüglich schickte er einige der Wächter zu den Außenmauern und zu den relevanten Kontrollpunkten innerhalb des Palastes. Sein Befehl war klar: ganz Tempelburg musste vollständig abgeriegelt werden, bis geklärt war, was tatsächlich passiert war. Keiner durfte raus, keiner durfte rein. Daneben sollten sich die Greifenreiter in die Lüfte erheben und die Umgebung von oben überwachen.
Kurz darauf trat er mit gezücktem Schwert in den Flur, der direkt zu den Privatgemächern der weißen Regentin führte. Normalerweise standen hier vier Wächter der Leibgarde neben den großen Eingangsflügeln der Schlafzimmertür, doch jetzt war keiner davon zu sehen. Stattdessen rannten einige Diener umher, weinten und schlugen die Hände vors Gesicht. Er schluckte schwer, verlangsamte seinen Schritt. Fest umklammerte er den Griff seiner schlanken Schwertklinge. Vorsichtig näherte er sich den riesigen Flügeltüren, die weit nach innen offen standen. Eine kleine Blutlache hatte sich unter einer der Türen gebildet, der Ursprung musste direkt dahinter zu finden sein.
Eine Hofdame der Regentin stolperte ihm entgegen und erkannte ihn erst, als er sie auffing.
»Was …«, begann er.
Die Frau schaute ihn aus verquollenen Augen an. »Sie sind tot, Heerführer! Sie sind alle tot!«
Er übergab die Frau einem Mann hinter sich und trat in das vor ihm liegende Schlafgemach. Was er dort erblickte, hatte er sich nicht in seinen schlimmsten Albträumen vorstellen können oder wollen. Das Gefühl, er müsse ertrinken, befiel ihn. Panik überflutete seinen Verstand. Die vier Wächter lagen in der Nähe des Einganges auf dem Boden. Die Hofdame hatte recht: Sie waren alle tot, daran gab es keinen Zweifel. Teilweise hielten sie ihre Klingen noch in den Händen, doch deutlich sah man die Einstiche einer schmalen Waffe, die entweder ihre Herzen durchbohrt oder ihre Kehlen durchschnitten hatte. Aber da war noch mehr. Inmitten des weitläufigen Schlafgemaches lag sie, die weiße Regentin, mit weit ausgebreiteten Armen in ihrem eigenen Blut. Auf der Höhe ihres Herzens steckte ein silberner Dolch, der im
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