Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
zu spüren bekommen, wenn du zurückgehst. Lass sie doch krepieren.«
»Dann krepieren aber auch viele Cait Sith.« Ty seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Ich weiß nicht, Jaden. Ich hätte nie gedacht, dass alles schon so aussichtslos ist.«
»Tja, das ist es aber«, erwiderte Jaden tonlos. »Sie ist nicht die, für die du sie gehalten hast. Ich habe sie übrigens auch falsch eingeschätzt. Aber sie ist auch nichts anderes als ein blaublütiges Miststück, das sich über die niederen Massen erhebt.«
Ty schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Sie war schon mal anders.«
»Das stimmt nicht. Das bildest du dir nur ein.«
Jadens wutschnaubende Stimme und seine vor Zorn funkelnden Augen jagten Lily einen Schauder über den Rücken. Jaden hatte Seiten an sich, das sah sie jetzt deutlich, die nicht unbedingt angenehm waren. Im Moment wirkte er wie ein rasender Mörder. Sogar Ty schien von diesem Wutausbruch überrascht zu sein. Wortlos starrte er Jaden an, der nicht aufhörte, ihn anzubrüllen.
»Was müssen sie noch tun, damit du endlich den Glauben in sie verlierst, Ty? Sie werden uns alle umbringen. Und die wenigen, die sie vielleicht am Leben lassen, werden nur noch bemitleidenswerte Schatten ihrer selbst sein. Und trotzdem verteidigst du sie, rätst mir und jedem, der es hören will, dem System zu vertrauen, weil alles bestimmt wieder besser wird. Manchmal wird es das ja sogar, Ty, aber nie für lange. Und dann wird es wieder richtig schlecht. Jedes verdammte Mal.«
Ty, der sich von seiner Überraschung erholt zu haben schien, trat so dicht an Jaden heran, dass sie sich fast berührten. Lily spürte, wie angriffslustig beide waren, und hoffte verzweifelt, sie würden sich einfach in Ruhe lassen.
»Alle spucken nur auf uns!«, knurrte Ty. »Alle! Arsinöe hat wenigstens eine Verwendung für uns gefunden, anstatt uns einfach in irgendeiner dreckigen Gosse krepieren zu lassen.«
»Es wäre besser –«
Im Bruchteil einer Sekunde hatte Ty Jaden vorne am T-Shirt gepackt und ihn hochgestemmt, sodass seine Füße ein paar Zentimeter über dem Boden baumelten. Lily riss entsetzt den Mund auf. So von Sinnen hatte sie Ty noch nie erlebt.
»Ty!«, rief sie eindringlich. »Hör auf!« Aber er schien sie gar nicht zu hören.
»In dieser Gosse war ich schon mal, Bruder«, zischte er Jaden ins Gesicht. Er hatte die Zähne gebleckt und die Fangzähne ausgefahren, die bedrohlich funkelten. »Ich wurde in der Gosse geboren. Ich bin dort gestorben. Meine gesamte Familie ist dort gestorben. Wag es ja nie wieder zu behaupten, dass unser Leben schlechter ist. Du hast nie im schlimmsten Dreck dahinvegetieren müssen, ohne irgendwelche Hoffnung. Wenn ich schon leben muss, dann ist es am Hof immer noch am besten.« Er ließ Jaden fallen, der geschmeidig auf den Füßen landete, obwohl Ty ihn so plötzlich losgelassen hatte. »Hau ruhig ab. Ich hoffe, du findest, wonach du suchst.« Ty spuckte ihm die Worte regelrecht entgegen, bevor er auf dem Absatz kehrtmachte und das Zimmer verließ. Lily versuchte noch, ihn am Arm zu packen, aber er wich ihr aus. Es gelang ihr allerdings, einen Blick auf sein Gesicht zu erhaschen. Der Schmerz, der sich darauf abzeichnete, raubte ihr schier den Atem.
Die Tür zwischen den beiden Zimmern flog krachend zu. Lily und Jaden schauten sich an. Sein Blick war wachsam und misstrauisch, genau wie an dem Abend, als sie ihn kennengelernt hatte. Hilflos starrte sie ihn an. Wie gern hätte sie eine Brücke über den Abgrund gebaut, der sich zwischen den beiden aufgetan hatte! Aber damit würde sie einen neuen Abgrund aufreißen, zwischen Ty und sich, das war ihr durchaus klar.
»Es tut mir leid«, sagte sie leise, während sie langsam rückwärts auf die Tür zuging. »Ich muss –«
»Es braucht dir nicht leid zu tun«, erwiderte Jaden kühl. »Er wird es schon noch kapieren. Und wenn nicht, kann ich ihm auch nicht helfen. Jede Katze kämpft für sich. Das war schon immer so.«
Lily machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu, die sie von Ty trennte. Alles in ihr sehnte sich nach ihm, wollte Balsam für diese uralten, tiefen Wunden sein.
»Vielleicht könntet ihr beide die Cait dazu bringen, sich zusammenzuschließen.« Sie hörte selbst, wie verzweifelt das klang. »Wenn ihr einen Aufstand macht, wenn ihr fordert, in Ruhe gelassen zu werden … So etwas gab es in der Geschichte doch immer wieder!« Und dann könnten Ty und ich zusammenbleiben …
»Nein, Lily«, entgegnete Jaden
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