Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
keine Zukunft für Ty und sie. Aber sie hätte nie damit gerechnet, dass Jaden ihren Schmerz so deutlich spüren würde. Er sah sie so mitleidig an, dass sie zusammenzuckte. Oft genug schon war sie in ihrem Leben bemitleidet worden, aber sie hatte dieses Mitleid nie gewollt und wollte es auch jetzt nicht. Dennoch konnte sie sich nicht verkneifen hinzuzufügen: »Ty ist anders. Er ist ein guter Mann, auch wenn er das selbst nicht glaubt.«
»Und genau deshalb wirst du dafür büßen, dass du dich mit ihm eingelassen hast, Lily«, erwiderte Jaden düster. »Du hast recht, Ty ist kein schlechter Mann. Im Gegenteil, er ist einer der besten, die ich kenne. Er hat mich unter seine Fittiche genommen, als ich mich vorne und hinten nicht auskannte und alle und alles nur hasste. Aber er ist ein Unterschichtvampir. Schlimmer noch, er ist ein Cait Sith im Besitz der Ptolemy. Sein Leben gehört ihm nicht, und was er tut, tut er, um zu überleben.«
»Ja, das verstehe ich«, sagte Lily unglücklich. »Es gefällt mir nicht, aber ich kann es akzeptieren.«
Jadens Wutausbruch kam für sie völlig überraschend. »Jetzt tu doch nicht so, als würde es dir nichts ausmachen, wenn er dich bei dieser Natter abliefert und dann geht!« Seine Augen blitzten unnatürlich hell auf. »Und genau das wird er tun, Lily. Was anderes kennt er nicht. Außerdem geht es hier nicht nur um ihn. Die Cait Sith sind seine Familie, und sie sind immer die Ersten, an die er denkt: wie sich das, was er tut, wohl auf ihre Behandlung durch die Ptolemy auswirken wird, wie wichtig es ist, sich Arsinöes Gunst zu erhalten, um den rangniederen Dienern der Ptolemy helfen zu können. Sie lässt ihm mehr Freiraum als anderen, das muss ich zugeben. Andererseits habe ich selbst mal zu ihren Lieblingsschoßtieren gehört. Und was mir das gebracht hat, hast du ja gesehen.« Er schüttelte den Kopf, und dann war sein Ärger plötzlich so schnell verraucht, wie er gekommen war. »Ty ist so etwas wie der Fahnenträger für die Cait Sith, die unter dem Joch der Ptolemy leben müssen, Lily. Bis zu einem gewissen Grad hilft die Tatsache, dass Arsinöe ihn schätzt, allen Cait am Hof. Und für die, die frei herumlaufen und versuchen, sich irgendwie durchzuschlagen, ist er eine Legende. Diese Cait Sith können nur hoffen, dass die Blaublute sie sich nicht schnappen wie so viele von uns.«
Lily zog die Stirn kraus. Ihr fiel die Szene in ihrer Küche wieder ein, und sie fragte: »Damien, der Shade, der hinter mir her ist, hat Ty quasi einen Verräter genannt. Ich hatte gedacht, dass man ihn allgemein so einschätzt.«
Jaden verdrehte die Augen. »Damien. Typisch für ihn, so etwas zu sagen. Glaube niemals einem Shade, Lily. Das sind professionelle Mörder, die sich für Götter halten. Er glaubt, er trifft seine Entscheidungen selbst? Wohl kaum. Er hat Chefs, für die er arbeitet, genau wie wir alle. Aber vielleicht fühlt er sich besser, wenn er sich das einredet … Im Übrigen wirst du in dieser Gegend schwerlich einen Cait Sith finden, der dir erzählen kann, was er von Ty hält. Die Cait Sith leben vor allem in den Ptolemy-Hochburgen, und dazu gehört diese Gegend nun wirklich nicht. Typisch, dass ihre Königin eine Ägypterin ist – verdammte Katzenbesessenheit. Wenigstens geben sie uns Arbeit, wenn das sonst schon keiner tut, aber wenn man sie nicht annimmt, zahlt man einen hohen Preis. Die Ptolemy sehen Vampire wie uns nur als Sklaven oder als Beute. Ich werde zusehen, dass ich so weit wie möglich aus ihrem Einflussbereich wegkomme, damit ich keins von beiden sein muss.«
»Was ist passiert? Hat Arsinöe dir das angetan?« Lily musste es unbedingt wissen.
Jadens Augen wurden eisig blau, dann wandte er rasch den Blick ab. »Sie hätte es genauso gut selbst getan haben können. Aber es ist egal. Ich gehe nicht zurück. Lieber sterbe ich.«
»Jaden.« Lily legte ihm die Hand auf den Arm. Sie spürte, wie angespannt er war, und empfand plötzlich Mitleid mit ihm. Jaden richtete den Blick wieder auf Lily.
»Du musst es Ty erzählen. Bitte.«
»Was soll er mir erzählen?«
Lily fuhr herum. Ty, der in der Tür stand, klang nicht nur abweisend, müde und reichlich verärgert, er sah auch genauso aus. Wie immer war ihr erster Impuls bei seinem Anblick, sich ihm in die Arme werfen zu wollen. Als sie sah, wie seine Augen aufblitzten, wusste sie sofort, dass nicht nur sie dieses schier überwältigende Verlangen verspürte.
Jadens Seufzer holte sie in die Wirklichkeit
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