Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
betonte.
Statt eines jahrhundertealten Vampirs hätte er genauso gut ein junger, düsterer Rockstar sein können. Und, stellte Lyra voller Entsetzen fest – bei seinem Anblick lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
»Soso, du wärest also spielend mit ihm fertig geworden?« Der Vamp stieß den reglos auf dem Bauch liegenden Werwolf mit der Stiefelspitze an, und jetzt fiel Lyra auch wieder sein Name ein. Sie erinnerte sich, dass die menschliche Frau den Namen auf eine Art ausgesprochen hatte, wie man das bei unartigen kleinen Kindern macht. Bei dem Gedanken daran hätte sie beinahe gelächelt.
»Ja, das wäre ich,
Jaden
«, erwiderte sie und genoss seine Überraschung, dass sie seinen Namen kannte. Für jemanden, der so alt war, wie er sein musste, war das ein seltsamer Name, fand sie. Er klang ziemlich modern. Vermutlich hatte er sich irgendwann umbenannt. Lyra hatte gehört, dass Vampire das gelegentlich taten. Da sie so lange lebten, hatten sie manchmal die Nase voll von dem Namen, den sie bei ihrer Geburt bekommen hatten. Vielleicht sollte sie auch … aber im Grunde gefiel es ihr, dass sie sonst niemanden mit dem Namen Lyra kannte.
»Da habe ich damals wohl einen bleibenden Eindruck hinterlassen«, sagte Jaden. »Statt so auf mich loszugehen, solltest du lieber ein bisschen Dankbarkeit zeigen. Gegen diesen Typen da hättest du keine Chance gehabt. Ich habe alles beobachtet. In dem Moment, als er dich an den Haaren gepackt hat, hattest du verloren.«
Sie mochte ihn ja vielleicht irgendwie attraktiv gefunden haben, aber dieses Gefühl verflüchtigte sich schlagartig. War er also doch nur ein arroganter Vampir. Dass er recht hatte, änderte daran gar nichts. Tatsache blieb, dass er und seinesgleichen einfach keinen Respekt vor ihr und ihren Leuten hatten.
»Mir wäre schon noch was eingefallen«, knurrte sie und trat näher auf ihn zu. »Ich brauche keinen Retter in Katzenvampirgestalt, der meint, ich müsste ihm vor lauter Dankbarkeit die Pfoten lecken.«
Jaden runzelte die Stirn und lächelte sie spöttisch an. Er wusste genau, dass sie ihn gebraucht hatte … oder irgendjemand anderen. Aber das ging ihr total gegen den Strich. Man hielt sie sowieso schon für ungeeignet als Anführerin, nur weil sie eine Frau war. Ihr ganzes Leben war es immer nur darum gegangen, Stärke zu beweisen, zu schauen, was die Männer des Rudels taten, um es dann besser zu machen. Dass man sie vor einem einzelnen Wolf retten musste, nur weil sie einen Moment lang nicht aufgepasst hatte, war zutiefst erniedrigend. Das einzig Gute war, dass ihr Rudel nie etwas davon erfahren würde. Und Marks Rudel vermutlich genauso wenig. Rasch warf sie einen Blick auf den Bewusstlosen und hätte bei seinem Anblick beinahe verächtlich den Mund verzogen. Sie würde nicht die Einzige sein, die nicht wollte, dass diese Geschichte bekannt wurde.
»Dann betrachte ich das jetzt mal als deine Art, mir zu danken, nachdem mehr offensichtlich nicht drin ist«, sagte Jaden.
»Mach doch, was du willst«, erwiderte Lyra. »Hauptsache, du verschwindest. Ich bin nicht in der Stimmung zu reden, und – sei froh – auf Katzenjagd habe ich gerade auch keine Lust. Das könnte sich allerdings ändern.« Aus irgendeinem Grund schien ihn das zu amüsieren, also kniff Lyra die Augen zusammen und forderte ihn nochmals auf zu verschwinden.
Sie hatte eigentlich erwartet, dass er jetzt, wo es keine weitere Heldentat mehr zu vollbringen gab, endlich abziehen würde. Doch zu ihrer Überraschung blieb er. Und zu ihrer noch größeren Überraschung drehte auch sie sich nicht um und ging, was sie – wie sie genau wusste – eigentlich hätte tun sollen. So nah, wie sie jetzt vor ihm stand, konnte sie seinen Geruch deutlich wahrnehmen. Er roch unverwechselbar nach Vampir, ein Geruch wie ein seltenes, uraltes Gewürz, den er selbst vermutlich gar nicht wahrnahm. Genau wie man ihr bei verschiedenen denkwürdigen Gelegenheiten erklärt – oder besser gesagt: ihr entgegengeknurrt – hatte, dass ihre Gattung nach wildem Tiermoschus stinke. Immer waren es die Vamps, die so taten, als hätte sie sich im Abfall gewälzt. Sie selbst konnte am Wolfsgeruch nichts Verkehrtes finden.
Aber Jaden reagierte nicht normal auf sie, schreckte nicht vor ihr zurück, als hätte sie eine schreckliche Krankheit. Er verhielt sich, als wäre er … interessiert. Und das hatte etwas in ihr ausgelöst, musste Lyra feststellen, zumal sie ihn auch nicht unbedingt als eine Beleidigung ihrer Sinne
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