Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
Verantwortung umging. Gab es irgendein Geheimnis, wie sie auftrat, sich bewegte, redete? Wie hatte sie sich einfach derart viel nehmen können, ohne dass die Männer versucht hatten, es ihr streitig zu machen? Die Gerüchte, die sie über den Aufstieg der menschlichen Frau in die höchsten Ränge der Vampirgesellschaft gehört hatte, stimmten. Aber so verrückt die Gründe für die Wölfe auch geklungen hatten – jetzt wusste Lyra, dass auch der Rest der Wahrheit entsprach. Dies hier war jetzt eine Cait-Sith-Dynastie. Eine Dynastie aus Katzengestaltwandlern, egal was für einen Namen sie jetzt trugen. Und falls es eine noch vergiftetere Beziehung als die zwischen seiner und ihrer Gattung gab, dann hatte sie davon zumindest noch nie gehört.
Hier würde sie keine Hilfe finden, schon gar nicht, nachdem ihre Anwesenheit sowohl von einem Cait als auch von einem ihrer unerwünschten Verehrer entdeckt worden war. Wenn Mark sie hier aufgetrieben hatte, würde das anderen ebenfalls gelingen. Darin wurden sie immer besser, je näher die Prüfung rückte. Also würde sie erneut die Flucht ergreifen. Aber diesmal ging es nach Hause, denn allmählich musste sie sich ernsthaft vorbereiten. Allein. Aufsässig schob Lyra das Kinn vor und starrte Jaden in die Augen. »Wohin ich gehe und was ich tue, geht dich nichts an. Aber ›dein‹ Territorium überlasse ich dir gern. Hier gibt es nichts, was für mich von Interesse ist.«
Sie drehte sich um und bekam gerade noch mit, wie seine Augen gefährlich aufblitzten. Eine Hand legte sich um ihren Arm, mit einem Griff, in dem eine Menge kontrollierte Kraft lag. Jaden riss sie so ruckartig zurück, dass sie gegen ihn prallte. Einen kurzen, heißen Moment lang spürte sie jeden Muskel seiner großen, schlanken Gestalt. Sofort wollte sich alles in ihr an ihn schmiegen, wollte diese zwei Körper zu einem Ganzen zusammenschmelzen.
Jaden presste den Mund gegen ihr Ohr und rieb kurz den Kopf an ihrem Haar, wie eine Katze, die ihren Besitz mit ihrem Duft markiert. Sie versuchte, sich dagegen zu wehren – niemand hatte das Recht, sie zu besitzen, und er schon gar nicht! Aber ein leichter Druck seiner kräftigen Hand reichte, sie bewegungsunfähig zu machen.
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, Lyra«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Wovor läufst du davon?« Eine einfache Frage, gestellt von einem Fremden, und dennoch hätte sie ihm am liebsten auf der Stelle alles erzählt, hätte diesen Mann, der sich mit Sicherheit über sie lustig gemacht und sich abgewandt hätte, am liebsten angefleht, ihr zu helfen. Das war nur mit dem Stress erklärbar, unter dem sie stand. Sie wusste, was sich zu Hause gegen sie zusammenbraute, sowohl innerhalb des Rudels als auch außerhalb.
Endlich gelang es ihr, sich loszureißen. Sie bleckte die Zähne und knurrte ihn an, denn sie wusste nicht, was sie noch hätte sagen können. Angst, Wut und dazu ein Verlangen, dessen sie sich nicht erwehren konnte, das alles mischte sich in ihr und drohte, sie wieder in Jadens Arme stürzen und etwas tun zu lassen, das sie später bereuen würde. Jaden stand völlig reglos da und starrte sie aus seinen flammend blauen Augen so undurchdringlich an wie eine Sphinx. Dennoch spürte sie seine Begierde, das Tier in ihr witterte sie und verlangte, darauf zu antworten.
Aber es gab nur eine Antwort, die sie nicht bereuen würde.
»Lass mich ja in Frieden, Katze«, fuhr sie ihn an. »Ich habe auch so schon Probleme genug.«
Sie wandte sich ab und stellte überrascht fest, wie schwer ihr das fiel. Offensichtlich verlor sie allmählich die Nerven. Kein Wunder, wenn man so lange gejagt, verspottet und ausgeschlossen wurde. Aber das würde bald vorbei sein, so oder so.
Lyra sprintete los. Ihre Muskeln arbeiteten wie eine gut geölte Maschine. Ihre Stiefel mit den Absätzen waren kein Hindernis für Schnelligkeit. Ihr war egal, wie es aussah, wenn sie so vor ihm davonrannte. Er bedeutete ihr nichts. Genauso wenig wie irgendein anderer Vampir. Sie spürte, wie ihre Glieder zu brennen und sich zu verwandeln begannen, wie sie sie Richtung Boden und zum vierfüßigen Lauf zogen. Ihre Kleidung wich Fell, und jetzt endlich konnte sie auch wieder richtig atmen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, raste Lyra davon und genoss die verführerische Umarmung der Nacht und die Freiheit, die sie ihr schenkte – auch wenn die nicht lange anhalten würde.
Es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.
Jaden beobachtete, wie die Wölfin mit dem
Weitere Kostenlose Bücher