Erben des Mondes - Grimoire lunaris
bemerkte, wie Aurelia ihren Drink fallen ließ und stoßweise ein- und ausatmete. Ein sicheres Zeichen für eine Vision. Sobald ihr Blick wieder klar wurde, rannte sie aus dem Raum und hinterließ staunende Tischpartner. Vic musste auch etwas gespürt haben, denn sie bat mich kurz nach Aurelia zu gehen. Der Rückweg zum Zimmer führteunvermeidbar an dem Büro der Leiterin vorbei. Ich konnte schon in den Gängen davor die Dunkelheit sehen, die sich hier ballte. Und dem Zentrum kamen wir immer näher. Ich konnte noch spüren, wie ein dunkler, mächtiger Bann geworfen wurde, dann war alles vorbei. Die Schwärze um uns entschwand, als würde sich Nebel auflösen. Ich beobachtete Vic genau. Aber die Dunkelheit schien für sie absolut unsichtbar, vermutlich nur von denen zu spüren, die über den Onyx mit ihr einen Bund geschlossen hatten.
Als wir in Aurelias Büro traten, fühlte ich mich sofort wie im Trainingscenter des Zirkels. Mandy, die die Buchkopie bewachen sollte, lag seltsam entstellt am Boden, übersät von Stichwunden, die für mich trotz des vielen Blutes am Rand dunkel schimmerten. Diese Wunden konnten nur von einer Waffe stammen: einem schwarzen Dolch. Jeder Zirkel beruft bis zu fünf Krieger, die die fünf Dolche aus Onyx tragen dürfen. Die Dolchstöße verursachen nicht nur äußerliche Wunden wie Bluten und Hautverletzungen. Mit jedem Schnitt wird ein Fluch gestreut. Der Empfänger empfindet den Schmerz plötzlich tausende Male stärker und stirbt oft nicht an den Verletzungen, sondern setzt seinem Leben selbst ein Ende, weil er wahnsinnig vor Schmerz geworden ist. In meiner Kindheit war ich einmal blöd genug, mit einer Mutprobe unter den Hexenkindern Eindruck schinden zu wollen und ritzte mir in die Handfläche. Es kam mir vor, als würde mir jemand die Haut der Hand abziehen und dann jeden Finger einzeln abschneiden. Erst als meine Mutter einen Gegenfluch aussprach, war alleswieder in Ordnung. Seitdem machte ich einen großen Bogen um die schwarzen Dolche.
Neben Mandy lag Aurelia, weder entstellt noch tot. Das konnte ich gar nicht verstehen. Wenn die Krieger des Zirkels einen Auftrag hatten, hinterließen sie niemals Zeugen. Niemals.
Dann kamen auch schon wieder meine Freunde, die Elfen. Die schienen sich fest in Vics Gefühlszentrum gehackt zu haben. Aber nur gut, die konnten sich schon mal um Aurelia kümmern. Der weibliche Elf schien ein Heiler zu sein. Sie verband den Stein mit Aurelia und schon schlug diese die Augen auf.
Dann erzählte sie von den Angreifern. Den Kreaturen. Ich hielt alles schön in meinem Kopf zurück. Die ganzen Erklärungen. Natürlich wusste ich von ihnen. Die Krieger waren Miren, verwandelt durch den Kriegereid, der Zugleich Fluch war. Aber die Zirkelmitglieder, die sich zur Wahl der Krieger aufstellen lassen, wissen über die Konsequenzen Bescheid.
Und dann war sich Aurelia noch sicher, sie war mit einem Ohnmachtszauber aufgehalten worden. Als ob Miren so was tun würden. Sie hatten sicherlich den Todesfluch geworfen oder eine böse Verletzung, die Todesfolgen nach sich ziehen sollte. Sie schien jedoch durch ihren Schutzkreis mehr als gut verteidigt zu sein. Damit hatten die Krieger bestimmt nicht gerechnet.
Dann kam das Gespräch auf das Buch. Automatisch griff ich an mein Jackett, um zu fühlen, ob der Klumpen noch in meiner Innentasche lag.
Der Elf war schon fast dabei, den Rat einzuberufen, als ich ihn bat, auch sprechen zu dürfen. In diesemMoment öffnete ich meine verschlossenen Gedanken über das Grimoire und Vic schien sofort unendlich erleichtert.
Der Fluch
„
S icher ist es dir erlaubt, zu sprechen, junger Mann“, antwortete Mars auf Darians Bitte hin. „Doch lasst mich zuvor eine Frage stellen: Ist euch die gefahrvolle Situation klar, in der wir uns befinden? Ich kann eure Emotionen nicht richtig deuten.“ Er zeigte mit seinem Kopf in meine Richtung. Ich stand immer noch erleichtert neben Aurelia.
„Deshalb bat ich euch ja zu sprechen“, eröffnete Darian seine Erzählung. Er holte etwas aus der Innentasche seiner Jacke und überreichte es Aurelia. „Mit Vics Hilfe konnte ich die Krieger täuschen. Das Grimoire ist in Sicherheit“
Aurelia hob fragend die Augenbrauen. Dann sah sie auf den Klumpen in ihrer Hand.
„Vic, würdest du mir bitte noch einmal behilflich sein?“
Automatisch reichte ich ihm meine Hand und spürte diesmal, wie ein Zucken bei der Berührung unseren Machtkreis verband. Als wären wir ein Stromkreis, floss nun unsere
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