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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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wird. Weil ich niemals gedacht hätte, dass unser Sohn morgens betrunken nach Hause kommt. »Alles klar? Du hast Nerven! Wo warst du? Wieso rufst du nicht an? Hast du mal an die Schule gedacht? Hatten wir nicht bestimmte Regeln eingeführt? Also, wie lautet deine Entschuldigung?« Ich muss kurz Luft holen. »Hörst du mir zu? Was hast du dir dabei gedacht?« Ich hole noch einmal Luft. »Antworte gefälligst!«
    Benny sieht mich einen Moment lang unter schweren Lidern an. Dann sagt er: »Ich geh ins Bett.« Er dreht sich um, und wir hören seine Schritte auf der Treppe. Oben fällt seine Zimmertür ins Schloss.
    Am liebsten würde ich hinter ihm herlaufen, aber Nicks amüsierter Blick hält mich davon ab. »Was findest du so komisch?«, frage ich.
    »Dich.«
    Das macht mich sprachlos.
    Nick lächelt mir besänftigend zu. »Eva, was ist denn schon passiert?«
    »Was schon passiert ist? Unser Sohn hat sich nicht nur volllaufen lassen, sondern schwänzt jetzt schon wieder die Berufsschule!«
    Nick zuckt wieder mit den Achseln. »Davon geht die Welt nicht unter.« Er zeigt aus dem Fenster. »Seine Mutter demoliert dagegen gerne einmal den Vorgarten.« Er verzieht wie unter Schmerzen das Gesicht. »Wenn du dich wenigstens hinten beim Gemüsebeet ausgetobt hättest. Aber nein, mitten in den Vorgarten musstest du diese Erdbeeren setzen. Wie das aussieht!« Kopfschüttelnd widmet er sich seinem Joghurt.
    In den vergangenen Sekunden habe ich ein leises Plätschern in meinem Rücken zur Kenntnis genommen, nicht einordnen können und erfolgreich verdrängt. Jetzt fällt mir ein dunkles Rinnsal zwischen meinen Füßen auf. Mit einem Aufschrei drehe ich mich um und sehe, dass ich vergessen habe, die Kanne zurück auf die Platte unter den Filter zu stellen. Ungehindert pladdert der Kaffee nach unten, überschwemmt den Tresen und rinnt den Küchenschrank hinunter.
    Während ich schnell die Glaskanne unter den Filter stelle und nach einem Aufwischlappen fahnde, verlässt Nick die Küche mit den Worten: »Ich trinke im Büro Kaffee. Bis heute Abend.« Er wirft mir eine Kusshand zu.
    »Warte doch mal … Nick?«
    Aber er ist schon aus dem Haus. Ich sehe ihn über den Rasen gehen und auf dem Weg zum Carport den Rasensprenger einschalten. Dann springt der Wagen an.
    Ich sinke auf einen Küchenstuhl. Auf dem Tisch steht Nicks leerer Joghurtbecher. »Den hätte er selbst wegwerfen können. Aber dafür bin ich dann wieder gut genug«, meckere ich vor mich hin, drücke den Becher ärgerlich zusammen und lasse ihn auf Nicks Teller fallen. Üblicherweise führe ich keine Selbstgespräche, und so kommt mir meine Stimme fremd und unnatürlich vor. Ich horche mir selbst nach und erkenne erschreckt: Ich klinge wie meine eigene Mutter, als ich ein Teenager war. Genauso frustriert und enttäuscht. Ich blicke auf die Uhr. Es ist noch nicht einmal neun und für mich ist der Tag erledigt. Wie lange ich am Küchentisch gesessen und stumpf vor mich hin gestarrt habe, weiß ich später nicht. Wann hat es angefangen, dass mein Leben so mühsam wurde? Während ich überlege, ob ich erst frühstücken oder erst sauber machen soll, geht die Türklingel. Es ist unser Postbote, der an diesem Morgen seine Tour besonders früh hinter sich bringt. Was sicher damit zu tun hat, dass er gleichzeitig Kassenwart der Freiwilligen Feuerwehr ist und heute Mittag der Vorstand tagt, wie es im Kreisblatt stand. Auf dem Weg zu Tür blicke ich kurz in den Spiegel, der neben der Garderobe hängt, und erschrecke über mein grimmiges Gesicht. Schnell bemühe ich mich um eine freundliche Miene.
    »Herr Leffler!« Ich lächle den Briefzusteller an, als ob er mir einen Lottogewinn mitgeteilt hätte. Er lächelt jetzt ebenfalls und fragt: »Soll ich Post für Sie mitnehmen?«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Dann habe ich hier zwei Briefe für Sie, Frau Brandt«, sagt Leffler. »Einer davon ist ein Einschreiben aus Hamburg.«
    »Ein Einschreiben?«
    Ich studiere den Absender. Der Name einer Anwaltskanzlei – Münchmeyer, Rottmann & Steinhausen – sagt mir nichts. Doch seit Mamas Tod bekomme ich hin und wieder Post von mir unbekannten Personen und Firmen. Das sind beispielsweise Aufforderungen, ich solle irgendwelche Abonnements von Mama weiterführen, und einmal musste ich den Vertrag für eine Garage kündigen, die Mama angeblich im Nachbarort gemietet hatte – was mir bis heute ein Rätsel ist.
    Herr Leffler mustert mich aufmerksam. »Alles in Ordnung, Frau Brandt?« Er reicht

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