Erde
einer Stunde losgeschickt hatte, trat ins Licht mit einem Mann mittleren Alters im Schlepptau. Zwei Teenager stürzten vorweg, zeigten auf den zerstörten Damm und gaben ängstliche Töne von sich.
»Wir… waren weiter oben im Reservoir«, erklärte ihr Vater auf Befragen. Er trug eine Fischerausrüstung. Von der Hand gebundene Fliegen baumelten an seiner Weste neben einer Campinggenehmigung mit ID-Foto.
»Wir sind ans Ufer gegangen und wollten uns zum Kochen niederlassen… Dann ist das alles passiert.« Er bedeckte die Augen. »Diese armen Nachtfischer! Sie wurden in der Flut erwischt.«
Dieser Bursche würde nicht viel nütze sein. Schock, diagnostizierte Logan und fragte sich, warum ihn die Rangerin überhaupt hergebracht hatte. »Was haben Sie als erstes gesehen?« fragte er im Bemühen, höflich zu sein.
Der Mann zwinkerte. »Wir haben das Boot verloren. Sie glauben nicht, daß man von uns Geld verlangen wird? Ich meine, wir sollten eine Entschädigung für den ganzen Ausflug bekommen…«
Jemand zupfte Logan am Ellbogen. »Es fing mit einem Geräusch an, Mister.«
Das war der eine Teenager, das Haar im Stil der Ra-Boys kurzgeschoren. Er zeigte auf das schlammige Seebett in der Tiefe. »Es war dieses leise Summen. Wissen Sie? Wie eine Art von Gesang des Wassers.«
Seine Schwester nickte. Etwas jünger, aber fast ebenso groß, trug sie ein Gewand der Kirche Gaias, das überhaupt nicht zu der sonnenanbeterischen Aufmachung ihres Bruders paßte. Logan konnte sich ein Bild von dem ideologischen Klima in ihrem Haushalt machen.
Sie sagte: »Es war schön, aber schrecklich traurig. Ich dachte erst, vielleicht klagte ein Fisch im See. Weil manche Leute sie töteten und aßen?«
Der Junge stöhnte und warf ihr einen mißbilligenden Blick zu. »Die Fische wurden dorthin gebracht, damit die Menschen kommen sollten und…«
»Wie lange hat der Ton gedauert?« unterbrach ihn Logan.
Beide Halbwüchsige zuckten die Achseln fast synchron. Der Junge sagte: »Wie konnten wir das feststellen? Nach dem was danach geschah, ist unser subjektives Erinnerungsvermögen bestimmt im Eimer.«
Was man den Kindern heute für Sachen beibringt, dachte Logan. Bei aller Begeisterung der Schulen für praktische Psychologie schienen die Kleinen sich immer noch auszusuchen, was sie aufnehmen wollten – in diesem Falle offenbar eine angenehme und plausible Entschuldigung für Ungenauigkeit.
»Was geschah als nächstes?«
Der Junge fing an zu sprechen, aber seine Schwester gab ihm einen Rippenstoß. »Die Dinge wurden für ein paar Sekunden ganz verschwommen«, sagte sie eilends. »Mit komischen Farben…«
»Als ob wir diesen Laser-Geisterbahntunnel hinunterführen, verstehen Sie?« platzte der Junge heraus. »Sehen Sie, wie wenn…«
»Dann war da die Licht. Es war so hell, daß wir uns umdrehen und hinschauen mußten. Es war unten im Süden… Da drüben, genau hier am Damm…«
»Wir wissen nicht, ob es genau hier am Damm war! Wir konnten nur nach unserem Augenschein urteilen und mußten uns noch von den Farben erholen…«
Das Mädchen ignorierte ihren wütenden Bruder. »Da waren diese Linien – von Licht? Sie stiegen in den Himmel auf… ungefähr so?« Sie stützte den Ellbogen auf eine Hand und zeigte in einem Winkel auf die nächtlich leuchtenden Wolken.
Logan sah ihren Bruder zwecks Bestätigung an. »Hast du auch diese Linien gesehen?«
Er nickte. »Außer daß sie nicht so aufstiegen, wie sie gesagt hat. Sie denkt, daß alles aus der Erde kommt. Nee! Die Linien gingen nach unten! Ich denke…« – er rückte verschwörerisch näher heran – »ich denke, das sind Aliens, Mister. Invasoren. Die große Spiegel mit Sonnenenergie benutzten…«
Seine Schwester gab ihm einen Klaps auf die Schulter. »Du solltest über das reden, was deine eigenen Augen belegen! Von all dem blöden…«
Logan hielt beide Hände hoch. »Ich danke euch beiden sehr. Aber jetzt glaube ich, daß euer Papa eure Hilfe mehr braucht als ich. Warum gebt ihr der Rangerin nicht einfach eure persönlichen Codes, und wir werden uns später in Verbindung setzen, falls wir irgendwelche nähere Information brauchen.«
Sie nickten ernsthaft. Im Grunde brave junge Leute, dachte Logan. Er fühlte sich mehr denn je dankbar für die unverdiente Gabe seiner eigenen sensiblen Tochter. Er konnte sich kaum entsinnen, wann Claires Stimme zum letztenmal diesen schrillen, jaulenden Ton angenommen hatte, der imstande war, auf zwanzig Schritt Glas zerspringen zu
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