Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Distanz.
»Aber vielleicht schaue ich mal für mich rum. Haben Sie das alles in Zarzis gekauft?« Sein Atem riecht streng nach vorgestrigem Knoblauch. Das üppig aufgetragene scharfe Rasierwasser strengt sich an, versagt jedoch bei der Überdeckung kläglich.
»Houmt Souk.«
Der Barkeeper erhebt sich und fragt den Mann auf Französisch, was er trinken möchte.
»Sprechen Sie kein Englisch? Oder Deutsch?«
»Trinken?« Der Barkeeper zeigt krumme Zähne.
»Ja, also ich hätte dann gerne einen Ananassaft. Frisch gepresst, wenn es geht.«
»Flasche.«
»Gut, dann aus der Flasche. Kann ich das Glas vorher sehen?«
Der Barkeeper nickt und lächelt. Er öffnet eine Flasche, schüttet den Saft ins Glas und stellt dem Hawaii-Hemd das Getränk auf die Theke.
»Ich wollte das Glas vorher sehen«, sagt der Mann dem Barkeeper und wendet sich dann an mich: »Die putzen nämlich oft nicht richtig.«
»Aha.«
Der Barkeeper lächelt, nickt und entfernt sich.
»Na, dann gehe ich das Risiko mal ein.« Er nimmt einen Schluck. »Eine gute Spermienpflege!«
Ich überlege, was sich anhören könnte wie Spermienpflege. »Eine gute Ich-spar-mir-die-Pflege«, »Eine gute sperr-mir-Fliege«, »Eine gute Schwebfliege«. Das muss es sein. Er ist ein Entomologe, der gerade eine der vielen Schwebfliegenarten gesehen hat.
»Das wissen Sie doch auch, oder?«
»Ich interessiere mich nicht übermäßig für Insekten.«
»Sie sollten einem Mann nicht sagen, dass Sie seine Spermien für Insekten halten.«
Oh, mein Gott. Dieser Mann mit krausweißem Brusthaar will tatsächlich mit mir über seine Spermien reden!
»Das Sperma eines Mannes ist heilig! Das habe ich mal von einem Inder gelernt, der in Castrop neben mir gewohnt hat. Man soll keinen Alkohol trinken und nichts Scharfes essen, wenn man der Frau etwas Gutes tun will. Besser ist Ananas. Und was soll ich sagen – es stimmt. Ich trinke seit Jahren jeden Tag Ananassaft.«
»Aha.«
»Ja. Und die Frauen sind begeistert.«
»Sind sie das?« Ich nehme meine Tüten, rutsche vom Hocker und gehe.
»Wollen Sie sich schnell mal überzeugen?«
Am liebsten würde ich jetzt stehen bleiben und ihm eine Ohrfeige verpassen, die seine Hypophyse zerstört und die Spermienproduktion für den Rest seines Lebens zum Versiegen bringt. Doch meine Hände krampfen sich um die Tüten. Sie wollen den Mann nicht mal schlagend berühren. Meine Füße verstehen das und drängen in Richtung Ausgang.
»Wenn Sie jetzt zu tun haben, stehe ich Ihnen gerne später zur Verfügung. Ist nicht viel los hier, und Sie reisen ja auch alleine. Ich bin noch zwei Wochen hier.«
Ich breche den Weltrekord im Schnellgehen.
> Caterina
< Hartmut
Die Schuld
21. 03. 2011
56° 57′ 46.6″ N, 24° 12′ 37.4″ E
Khaled sitzt bereits am Tisch, als ich den Frühstücksraum betrete. Sein nächtliches Flüstertelefonat wisperte mir gestern noch den ganzen Tag im Ohr herum, während er mich dazu drängte, stundenlang mit ihm am Strand spazierenzugehen und abends einer kleineren Männerrunde beizuwohnen, bei der es nicht ums Feiern, sondern um »gute Geschäfte« ging. Nach vierstündigem Palaver beschloss Khaled, das Kungis Inn doch nicht zu kaufen.
Das Frühstück habe ich gestern Morgen schlicht verpennt, schaffe es dieses Mal aber rechtzeitig. Wir wollen heute weiterfahren. Khaled winkt mich zu sich und zeigt auf einen Brotkorb, hartgekochte Eier, Schüsselchen mit Marmelade, eine Schale mit Gewürzgurken und Silberzwiebeln sowie einen Teller mit Wurst und Käse.
»Alles hier!«, sagt er und gießt mir Kaffee ein. Der Käse ist alt. Hart biegt sich der Rand nach oben, während die Mitte schwitzt wie eine Altmännerstirn. »Kasimir kann Frühstück nicht«, lacht Khaled und kippt sich scharfe Nüsse aus seiner Landrover-Tüte auf den Teller. Dazu isst er ein Ei. »Geht nur Ei und Glaskost. Hier, Gurken und so. Nimm kein Brot. Ist zu hart. Liegt schon seit Perestroika.«
Ich reibe meine Schläfen, nehme absichtlich das uralte Brot und lege den vergammelten Käse darauf. Er riecht ungut. Mein Versuch, das Brot zu essen, fühlt sich an, als hätte mich ein psychopathischer Genicktrittmörder dazu gezwungen, in die Bordsteinkante zu beißen. Ich lasse das Steinbrett aus Teig auf den Teller fallen. Es ist so hart, dass die Keramik einen Sprung bekommt.
Khaled schüttelt den Kopf. »Du willst leiden?«, fragt er.
Ich antworte auf der Stelle »Ja!« und haue auf den Tisch, so dass die Gurke springt. »Ja, ich will
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