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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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leiden!« Ich nehme die Scheibe Käse und beiße davon ab. Der Rand schmeckt wie Hornhaut, der Innenteil wie Schweißfuß. Ich muss würgen und lege den Rest auf den Teller. »Aber es klappt nicht! Khaled. Verstehst du? Ja, toll, mieser Käse, okay. Aber der Kaffee, der ist schon wieder gut. Vorgestern habe ich Post von meinem Freund bekommen und sogar seiner Freundin geschrieben. Ja? So, von wegen Menschen und Reden und so. Am Strand habe ich mich für einen Moment sogar richtig wohl gefühlt. Ich musste an Poesie denken, an ein Gedicht. Ich ramme meine Finger in die Bäume und höre Heavy Metal mit einem einsamem Wolf auf der Hülle. Das ist doch alles kein Leid, das ist … das ist wahrscheinlich genau das Pathos, das meine Freundin nicht mehr ertragen hat. Verstehst du? Deswegen will ich ja zur Einsamkeit. Ich kann nicht leiden. Nicht richtig. Es ist echt, in mir drin, aber sobald es rauskommt, ist es Schauspiel. Und da innen drinnen« – ich schlage auf meine Brust –, »da will der Schmerz sogar manchmal Pause machen. Einfach Pause machen. Und du hast ihm gestern auch noch dabei geholfen mit dem Spazieren und Verhandeln und allem. Aber das geht nicht. Es ist zu früh. Bevor der Schmerz sich Urlaub gönnen darf, muss er noch viel tiefer gehen.«
    »Warum?«, fragt Khaled. Einfach nur fünf Buchstaben.
    Ich will »Geht dich nichts an!« antworten, aber Khaled hat wieder seinen Kopf gesenkt, so dass die Augen raumgroß werden und Iris wie Pupille in einem hypnotischen weißen Meer kleben.
    »Weil ich schuldig bin«, sage ich, und Khaled hört zu. Nur ab und zu wandert eine scharfe Nuss in seinen Mund, immer mit der rechten Hand. » Ich habe alles versaut. Das ganze Leben. Ein ganzes Leben.« Der Pfropf weitet sich in meiner Brust. Ich kann darüber nicht sprechen, blicke zur Seite, Glasaugen, schlürfe am Kaffee.
    »Nuss?«, fragt Khaled, und ich nehme eine. Sie ist zwei Sekunden in meinem Mund, als mir klar wird, warum sich auf einmal der Frühstücksraum dreht. Sämtliche Feuermonster aller Videospiele, die ich jemals gespielt habe, speien ihr tödliches Rot durch meine Kehle und verbrennen die Schleimhäute. Meine Ohren werden zu Heizstrahlern, und alle Gewerkschaften der Jahrhundertwende klopfen mit ihren stählernen Hämmern von innen gegen meine Augenhöhlen. Ich grapsche mit den Händen nach Hilfe und Wasser, aber es steht nur Kaffee auf dem Tisch. Meine Finger krachen auf die Teller und das Steinbrot. Ich erblinde, sehe nichts mehr, durch meine Ohren pfeift ein weltkriegslauter Tinnitus.
    »Scharf?«, fragt Khaled durch das Pfeifen hindurch und meint es nicht mal spöttisch. Er kann nicht verstehen, dass ich mich so anstelle. Sein Gesicht ist nur ein Schemen im dunklen Nebel; ich spüre, dass meine Finger beim Grapschen in Marmelade gelandet sind, führe sie zum Mund und stopfe so viel, wie es geht, hinein. Die Marmelade schmeckt grauenvoll. Die Pflaumen und Kirschen müssen schon schlecht gewesen sein, als sie verarbeitet wurden, aber sie sind die einzige Chance gegen das Verbrennen. Ohne Schimmelkirschen zerfalle ich zu glühender Asche. Ich bin der Mottenmann, Carrie das Feuerkind und Luzifer in einer irdischen Hülle, die ihm nicht passt. Nachdem alle Marmelade in mir ist, lässt das Feuer langsam nach, und ich sinke schwitzend in den Stuhl. Khaled sieht mich unschuldig an.
    Ich flüstere, lispelnd und mit geschwollener Zunge: » Das kaust du den ganzen Tag???«
    »Ja. Sicher.« Er zuckt mit den Schultern. Dann reicht er mir eine kleine Wasserflasche aus Plastik, die an seinem Stuhlbein gestanden hat.
    »Weiterfahren?«, fragt er. Ich nicke. Die Endgegner, Feuerteufel und Jahrhundertwendeschmiedehämmer purzeln leise schreiend in meinen Magen hinab. Khaled schnippt sich eine Nuss in den Rachen.

    Wir fahren. Der iPod spielt Etnika, eine Band aus Malta, die mit Bläsern, Trommeln und Dudelsack traditionelle Lieder von Hochzeit bis Beerdigung neu interpretiert. Khaled summt mit und trommelt auf dem Lenkrad. Ich lasse mein Telefon neue Post aus dem Äther ziehen. Caterina antwortet mir, und ihre Sätze passen zur heiteren, fremden Musik. Sie ist gerade in Tunesien, auf Bildungs- und Selbstfindungsreise. Sie folgt den Spuren von Macke und Klee. Ich sehe die Bilder dieser Künstler vor mir und frage mich, was sie gerade in mir auslösen. Wie benenne ich das am besten? Grundlose Beruhigung. Meine Finger wollen zum Touchpen greifen, um eine Antwort zu tippen. Mein schuhloser rechter Fuß liegt lässig im

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