Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)
Tasche nach mehr Scheinen.
»Ich will nicht handeln«, sage ich, »ich habe dir keine Arbeit geschrieben. Ich sage nur: Der, der das getan hat, war zu billig.«
»Aber das ist doch das richtige Zimmer.« Er schaut auf den Namen an der Tür und kratzt sich am Hinterkopf. »Oder war’s doch der neunte Stock?«
Ich tapse mit dem Fuß.
»Hast du wenigstens Salz?«
»Wie? Entweder eine Hausarbeit oder Salz? Was ist das denn für eine bescheuerte Alternative?«
Der Mann schweigt und nadelt, die schmale Ladenhüterfichte. Er zeigt in mein Zimmer: »Du hast eine Überschwemmung im Bad.«
Ich wirbele herum und fluche. Das warme Wasser schwappt schon über die Schwelle. Yannick steht davor, den Kopf schief, und hält interessiert die Pfote ins Nass. Sofort zieht er sie zurück, als das Wasser sie berührt. Er freut sich. Meine Versuche, irgendwie zu baden, sind zurzeit das einzig Unterhaltsame für ihn. Mein Mensch macht ja sonst nichts, wird er sich denken. Nur arbeiten gehen, schlafen, essen und spielen. Ich knalle dem Seminararbeiten-Käufer die Tür vor der Nase zu, ziehe mich aus, steige in die Badbox, angle nach dem Stöpsel und lasse etwas ab. Jetzt stehen achtzehn Zentimeter heißes Wasser in der Box. Das ganze Bad muss meine Wanne sein. Was soll ich machen? Ich bin zwar wieder in Bochum, aber hier im Wohnheim habe ich keine. In Berlin, so beschissen es auch war, konnte ich meinen Körper in die Emaille senken. Die Badbox ist keine Wanne. Ich weiß, dass es zwecklos ist, aber ich kann nicht aufhören, es zu versuchen. So lege ich mich also in die Badbox, den Kopf neben dem Klo. Badewannengefühl kriegt man nur, wenn das Wasser die Brust bedeckt. Das ist nicht leicht bei nur achtzehn Zentimeter Tiefe. Yannick steht draußen vor der Türschwelle und schaut sich an, wie ich mich verrenke. Ich rutsche mit dem Hintern im Wasser vor. Die Haut schabt auf dem Kunststoff. Es klingt wie dumpfe Fürze. Ich presse den Arsch an die Plastikwand und lehne meine Beine im 90-Grad-Winkel nach oben daran an, wie in der Turnübung »Kerze«. Auf diese Weise liegt mein Oberkörper so flach wie möglich im warmen Wasser. Aber selbst das reicht nicht ganz, damit es sich über meinem Brustkorb schließt. Ich bin Packer. Mein Brustkorb ragt höher als achtzehn Zentimeter. Das Klo ragt aus den Fluten. Was ist das würdelos. Ich rucke hin und her. Etwas Wasser fließt zwischen meine Brusthaare, bildet winzige Seen und läuft dann wieder ab.
»Määäääh!«
»Ja, Yannick, ich weiß, dass es eigentlich nicht geht.«
Mist. Ich habe doch nie viel vom Leben verlangt. Nur einen Job, eine Playstation 1 und eine Badewanne. Jetzt grollt drinnen eine PS3, und ich liege mit den Beinen an der Wand in einer gefluteten Plastikbox.
»Im neunten Stock gibt’s die Linguistik-Arbeit auch nicht!«, ruft draußen vor der Tür die nadelnde Fichte. »Was studierst du denn? Würdest du mir die Arbeit für fünfhundert Euro schreiben?«
»Ich studiere nicht! Mach den Abflug!«, brülle ich und bin froh, dass der Typ mich nicht so sehen kann. Ich hatte nicht geplant, hier einzuziehen. Von Berlin aus bin ich direkt zu UPS ins Herner Gewerbegebiet Friedrich der Große 2 gefahren und in die Halle gelaufen. Als Stolle, mein ehemaliger Chef, hörte, dass ich keine Bleibe hätte, boxte er einem Sportstudenten an die Schulter, der gerade seinen Ferienjob absolvierte. Der setzte sich mit seinem Smartphone auf das alte Sofa im Pausenraum, ließ sich von Martin ein Bier aufbeißen, sendete eine Anfrage zur Untermiete an alle seine Kontakte bei Facebook und XING und bekam zehn Minuten später die Antwort des Mannes, dessen siebzehn Quadratmeter ich jetzt bewohne.
»Määääähhhhh-au!«
»Ach so!«, sage ich und wuchte mich aus dem Wasser, da es zwecklos ist. Yannick macht einen Seitenschritt zum Kühlschrank. Ich werfe ein Handtuch auf das Linoleum vor der Badbox, tropfe ab und hole einen Becher Sahneschokolademandelpudding heraus.
»Ich habe nur ›Mäh!‹ verstanden«, erkläre ich dem Kater. »Nicht ›Mäh-au!‹« Er verzeiht mir. Wir setzen uns aufs Bett. Yannick stampft. Ich streiche zweimal über seine Katzenohrrandhärchen. »Mäh-au!« heißt: »Ich will Pudding!« Nur »Mäh!« heißt: »Mir ist langweilig!« Ich öffne den Becher, stecke den Finger rein und halte ihm die braunglitzernde Spitze hin. Seine Zunge ist Schmirgelpapier mit 100er Körnung, dazu irre warm. Voodoo wartet immer noch. Die Spiele auf der Playstation 3 sind zu realistisch,
Weitere Kostenlose Bücher