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Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition)

Titel: Erdenrund: Hartmut und ich auf Weltreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann , Sylvia Witt
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festbeißen. Ich falte den Express sorgsam zusammen, lege ihn wieder auf den Sitz zurück und gehe zwei Reihen weiter. Ich höre ihn erneut leise seufzen.
    Langsam füllt sich das Gate. Mein Handy bittet um Beachtung. Es hat während des langen Fluges eine Nachricht empfangen und sie in all der Höhe gut für mich verwahrt. Hartmut schreibt, dass er sich mit unserer ganzen Wahlfamilie im neuen Haus von Jochen und Mario befindet. Zur Adresse in Hattingen sendet er ein kleines Foto mit. Ein Hof auf dem Land. Gemüsebeete, Hühnergehege. Im Hintergrund sehe ich Jochen, wie er auf Caterina und ihren Liebsten zugeht, die vor einer Scheune stehen. Ich lächle. Das sind Nachrichten, wie ich sie ertragen kann.

    Ich steige Mollwitzstraße aus und rieche alten Brandgeruch. Ich habe die Datumsgrenze überflogen und einen Tag verloren. Das Kabinenbrummen des letzten Fliegers klingt noch leise in meinem Ohr, doch jetzt bin ich zu Hause. Zu Hause? Mein Köln sieht aus, als habe es den Verstand verloren. An den Bürgersteigen türmen sich Müllberge. An manchen Stellen ist das Pflaster herausgerissen und an Hauswänden zerschlagen worden. Überall zersplitterte Fenster, provisorisch mit Pappe oder Plastik abgedichtet. Ein ausgebranntes Autowrack liegt auf seinem zerquetschten Dach. Es ist ein 3er BMW Coupé. An einer Stelle kann ich den Lack erkennen. Dunkelrotmetallic. Definitiv von 2010. Ein Straßenschild biegt sich halb quer über den Bürgersteig. Es ist mit Flatterband abgesperrt. Viele Häuser haben Krater wie von Bombensplittern. Ein Wunder, dass die Schienen unversehrt sind.
    Die Straße macht einen traurigen Eindruck, die darin aufräumenden Menschen nicht. Zwei Arbeiter in orangen Overalls stehen zusammen, ihre Besen im Arm, plaudern, trinken ein Bier und lachen laut und dreckig. In einer Gruppe von Polizisten werden Klemmbretter verteilt. Auch hier ist die Stimmung gelöst, wie bei Jugendlichen auf einem Schulhof, die eine ungewöhnliche Aufgabe zugeteilt bekommen. Ein Bauarbeiter im klassischen, fleckig weißen Feinrippunterhemd lehnt sich an seinen Presslufthammer und raucht eine Zigarette, als stünde er an einer Theke. Die Party geht weiter. Ein bisschen so wie beim Aufräumtrupp nach dem Rosenmontagszug. Mit dem kleinen Unterschied, dass sich die Verwüstungen nach einem Rosenmontagszug auf zertretene Kamellen beschränken.
    Der Weg zum Haus meiner Mutter ist ein Abenteuerhindernislauf. Es dauert, alle Schikanen zu nehmen. Von weitem sehe ich einen gestikulierenden Strich mit blondroten Haaren, daneben einen olivgrünen Anzug mit Mütze: Meine Mutter diskutiert mit einem Polizisten. Es geht ihr gut. Sie steht, sie hat genügend Kraft zum Diskutieren, und sie sieht vollständig aus. Ein Stein fällt mir vom Herzen und beschädigt eine bislang heilgebliebene Bürgersteigplatte. Ich gehe etwas langsamer. Ich kann das Wohlbefinden meiner Mutter besser genießen, solange ich noch etwas weiter weg bin.
    »Susanne, Kind, mein Liebes, du bist ja wieder da. Schätzchen!« Meine Mutter kommt auf mich zugelaufen und umarmt mich. Sie ist kaum zu spüren.
    »Wie geht es dir? Wieso hast du mir am Telefon nicht die Wahrheit gesagt?«
    »Ja, ja, komm, ich muss hier weitermachen«, sagt sie und zieht mich zu dem Polizisten.
    »Wir sind so weit durch, Frau Lehmann. Hier bitte nur eine Unterschrift. Und vielleicht halten Sie Ihre Gäste das nächste Mal ein bisschen kürzer. So was passiert eben, wenn man sich einfach so in die Politik einmischt. Überlassen Sie das beim nächsten Mal den Profis.«
    Meine Mutter macht den Mund auf, doch es kommt nichts heraus. Der Polizist fasst sich an die Mütze, nickt kurz und geht.
    »Was war das denn?«
    »Vielleicht gar nicht so dumm, wie es sich anhörte.«
    »Susanne, wie kannst ausgerechnet du das sagen?«
    »Ich habe jetzt keine Lust, darüber zu diskutieren. Sag mir lieber, wie es Irmtraut geht und ob alle heil hier rausgekommen sind.«
    »Natürlich. Alle sind putzmunter. Nur Rick ist im Krankenhaus. Er hat eine Stimmbandreizung. Udo und Trude besuchen ihn gerade. Seine Ehre ist ein wenig angekratzt. Er hat sich das alles wohl ein bisschen anders vorgestellt. Aber sonst ist nichts passiert. Susanne, wir sind hier in Köln. Wir können mit großen Massen umgehen. Komm doch erst mal rein.«
    Ich werfe noch einen kurzen Blick die kriegsbeschädigte Neusser Straße rauf und runter, dann folge ich meiner Mutter in den leeren und absolut normal aussehenden »Kölsche Klüngel«. Der gipserne

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