Erdwind
in die Feuer-Halle gekommen bist. Dumm.“
„Ja, es tut mir leid, aber nun ist es zu spät …“
„Ja! Zu spät!“
Sie fürchtete das Schlimmste. „Sie werden mich wohl töten, wenn ich in den crog zurückkomme.“
Er lächelte verächtlich. „Nein, du kannst ganz beruhigt zurückgehen. Keiner weiß, daß du es warst. Und ich werde es ihnen nicht verraten …“
Erleichtert und gleichzeitig ungeheuer gespannt sah sie zu ihm hoch. Darrens Gesicht war verzerrt und gefurcht, ein viel zu altes Gesicht. Zorn, Verwirrung, Panik waren in seinen Zügen vermischt, alles durcheinander, so daß sein Gesichtsausdruck fast undeutbar wurde, und doch traten alle diese Gefühle deutlich hervor. Denn Darren war aus einem Grunde, den Elspeth nicht verstehen konnte, an einen Wendepunkt gekommen und konnte nicht mehr zurück; sie verspürte eine kribbelnde Angst, als ihr klar wurde, daß sie nun vielleicht aus seinem Leben herausgeschnitten war. Er würde sie nicht töten, das hatte er ja bereits gesagt. Doch er würde ihr nicht mehr helfen, und das war ein großer Verlust für sie.
„Darren …“
Seine Hand klatschte auf ihren Mund und war dann weg. Seine Augen blieben kalt. Es war eine für alle Beteiligten eindeutige Geste.
„Ganz gleich, was du tust“, sagte er langsam, „schaff deine Jenseitler-Freunde aus diesem Land weg. Mach, daß sie weggehen!“
„Darren, ich kann doch nicht einfach …“
Er drehte sich kurz um und rannte los, ein angespanntes Muskelpaket, das in der schützenden Dunkelheit des Waldes verschwand. Elspeth sah ihm nach, die Hände an ihrem schmerzenden Gesicht, bis der Junge ganz und gar verschwunden war und sie nichts mehr hörte. Dann brach sie in Tränen aus. Das war wohl das einfachste.
Aus dem Nichts heraus kam eine Hand und berührte ihre Schulter. Sie schrie erschrocken auf.
4
Elspeth blinzelte sich die Tränen aus den Augen und starrte zu dem alten Mann hoch.
„Tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe“, sagte dieser. Sie wollte antworten, doch es tat zu weh, wenn sie den Kiefer bewegte; stechender Schmerz durchschoß ihre Wangenmuskeln, und sie gab es auf; Kopfschütteln genügte ja auch. Der alte Mann schien nicht recht zu wissen, was er tun sollte, sondern sah sie nur an. Es war derselbe Blick, mit dem er sie in der Feuer-Halle durch die Felsenpfeiler angestarrt hatte. Erstaunt, betroffen … interessiert.
„Ich habe gesehen, was er mit Ihnen gemacht hat.“ Er blickte in die Richtung, in der Darren verschwunden war. „Sehr brutal. Wirklich, sehr brutal, doch immerhin …“ Er zögerte kurz. Ausdruckslos starrte sie zurück. Irgend etwas war an ihm, das sie wiedererkannte, und doch war es etwas Undefinierbares … „Ja“, fuhr er verlegen fort, „ich dachte, es hörte sich mehr nach einem Streit zwischen Liebesleuten an als nach sonst etwas – deswegen habe ich meine Automatik aus dem Spiel gelassen.“ Er tippte auf den kleinen roten Beutel, der an seinem Gürtel hing. Jetzt, da sie auf seinen Gürtel blickte, sah Elspeth erst, wie dünn der Mann war, wie zerbrechlich. Seine rote und grüne Robe blähte sich im Wind, und sie konnte unter dem halbdurchsichtigen Stoff seine skelettdünnen Beine erkennen. Sein Gesicht war scharf und runzlig, wie von vielen Jahresringen; funkelnde Augen, die manches Jahrzehnt gesehen hatten.
Fast sofort ging ihr auf, wer er war. Ihr Verstand, wenn auch noch verwirrt von den Prügeln und den immer noch schmerzenden Beulen, setzte endlich die physiognomischen und charakteristischen Merkmale zusammen und fand die ins Auge springende Lösung. „Rationalist …“, murmelte sie und zuckte vor Schmerzen zusammen. Der alte Mann ließ sich auf die Knie nieder und berührte mit dem Finger ihre Lippen. Seine Miene wurde ernst, dringlich, beinahe jungenhaft unter den zeitverwitterten Konturen. „Rationalist …“, murmelte sie noch einmal.
„Sprechen Sie nicht, ehe wir den Bluterguß beseitigt haben. Hier …“ Mit einem Schwung holte er ein kleines Leinenpäckchen herum, das hinten an seinem Gürtel gehangen hatte, öffnete es und griff hinein, ärgerlich, weil er nicht gleich finden konnte, was er suchte. „Schade … anscheinend habe ich …“
Mühsam lächelnd berührte sie seine Hand. „Lassen Sie nur“, sagte sie. „Mein Boot … da …“
„Ich helfe Ihnen.“
Er stand auf und faßte ihre Hand, doch als sie versuchte, auf ihre zitternden Beine zu kommen, war ihr Gewicht zuviel für den kleinen Mann, und er ging in
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