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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Versuch“, rief Moir. „Wir haben genug gesehen. Wir gehen ein Weilchen hängen.“ Sie rannten über das Wedelmoos, bis die Entfernung und die Dunstschranke sie den Blicken entzogen – dann waren sie weg.
    „Ein Weilchen hängen? Was heißt das?“
    Darren sah sie von der Seite an. „Wir machen das später auch. Wirst schon sehen. Diesmal lasse ich dich nicht so weg.“
    Sex, dachte Elspeth. Das ist ihr Ausdruck für Sex. Ich bin nun schon so lange hier und habe noch nicht einmal ihre einfachsten Redensarten gelernt.
    Ein plötzlicher, ohrenbetäubender Schwingenschlag lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Schwarzflüglertal. Ein riesiges Männchen mit einer Flügelspanne von zwanzig Fuß ließ sich auf dem Felsblock nieder, bei dem sie kauerten. Vor Überraschung fiel Darren rücklings hin, als das große, einzelne Auge sich zu den beiden Menschen hindrehte; doch Elspeth sprang auf und gab ihrem Tangelkraut einen schleudernden Ruck, so daß es ausschoß …
    Die Luft um sie wirbelte; die lederflügelige Bestie hieb nach ihr; doch vielleicht wegen ihrer ungewohnt dunklen Haut, vielleicht weil sie eine unbewußte Bewegung nach hinten gemacht hatte, verfehlten die rasiermesserscharfen Klauen sie. Ehe der Schwarzflügler wußte, wie ihm geschah, hatte er den Strang Tangelkraut um das linke Bein.
    Er kreischte, reckte sich und kämpfte sich in die Luft.
    „Halt fest diesmal!“ schrie Darren und sprang zur Seite, als die große Bestie zur Erde herniederschwang, weil sie sich nicht mehr so leicht in die Luft heben konnte.
    „Hilf mir!“ kreischte Elspeth, als sie fühlte, wie sie nach vorn und nach oben gezogen wurde.
    „Hilf dir selbst!“ schrie Darren voller Ergötzen.
    „Ich kann nicht! O Gott!“
    „Halt fest!“
    Sie sah nichts anderes als das riesige, langgestreckte schwarze Gebilde vor ihr. Das Tangelkraut biß sich in ihr Handgelenk, wo es sich um ihren Arm gewickelt hatte, ehe es den Schwarzflügler am Bein erwischte, doch sie achtete nicht auf den Schmerz. Sie hatte furchtbare Angst, dieses Ur-Vieh würde sich im nächsten Moment auf sie stürzen, aber sie versuchte, auch diese Angst zu ignorieren. Der Schwarzflügler hatte jedoch zu sehr mit seiner eigenen Panik zu tun. Der Donner, den sie hörte, kam von den schlagenden Schwingen. Der Wind, den sie verspürte, war der Fahrtwind an ihrem Körper, der bei den Flugversuchen des Tieres halb über den steinigen Boden gezogen wurde.
    Ihr wurde fast übel, und sie schüttelte den Kopf. Ihr drehte sich der Magen um, das betäubende Gefühl des Brechreizes durchfuhr sie blitzartig. Was war passiert?
    Wieder – und noch einmal!
    Die Klippen schienen zu springen, als würden sie in Sekundenschnelle entwurzelt. Ein Felsbrocken flitzte vorbei und war weg – nicht so, daß er an ihr vorbei nach hinten glitt, sondern er war einfach weg. Sie schrie auf. Und auch der Schwarzflügler fing an zu kreischen, mit schrecklicher Fistelstimme, laut, wütend. Er peitschte die Luft – doch nun sank er zu Boden.
    Elspeth hielt das Tangelkraut fest, doch hielt sie Abstand von dem zappelnden Vieh. Langsam stellte sie sich auf die Füße. Sie zitterte am ganzen Körper, noch immer tat ihr der Magen weh von dem würgenden Gefühl, das sie während des Fluges verspürt hatte. Sie wußte wohl, was geschehen war, doch war sie so durcheinander, daß sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Was hatte dieser Schwarzflügler, immer mit ihr an der Leine, für einen irren Hier-Nicht-mehr-hier-Tanz vollführt! Der reine Sofort-Transport, jeweils von zehn, zwanzig Yards! Richtige Teleportation war das gewesen. Am Geist des Tieres und an einer pflanzlichen Peitschenschnur hängend – und wie gut hatte ihr die gedient! –,war sie durch den Raum gehüpft.
    Der Schwarzflügler starb.
    Das Zappeln und Schlagen hörte auf, das Auge blutete, das sepiafarbene Blut rann über die glänzendschwarze Haut. Elspeth lockerte ihren Griff an dem Tangelkrautstrang, und die Pflanze wickelte sich wieder um ihren Arm wie eine leidenschaftliche Schlange, eng und fest, tauchte ihre Spitze in die warme Nässe des Unterarms. Elspeth wischte sich die Hände an den Schenkeln ab, starrte auf das verschmierte Blut der abgeschürften Haut ihres rechten Handgelenks. Darren kam herbeigerannt und hockte sich neben den toten Schwarzflügler. Er schaute zum Himmel hoch, starrte auf die Klippen, wo noch zahlreiche Tiere hingen, reglos und unbeteiligt.
    „Du hast Glück gehabt“, sagte er. „Bei diesem

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