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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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Todesschrei greifen sie sonst an. Das ist das einzige, was man fürchten muß: wenn der Schwarzflügler um Hilfe ruft.“
    „Ein paar wurden aufgestört.“
    „Aber sie haben nicht angegriffen.“ Darren sah sie an, streckte die Hand aus, berührte das Tangelkraut und ließ seine Finger über ihre Ebenholzhaut gleiten. „Vielleicht liegt es daran – daß du selber so dunkel bist. Ich habe noch nie erlebt, daß sie nicht angegriffen haben.“
    Sie blickten auf ihre Beute. Die Schwingen begannen zu schrumpfen, da die Körperflüssigkeit aus ihnen in die langsam anschwellende Leibeshöhle rann; Darren kroch hinüber und faßte das skelettartige Gefüge der oberen Gliedmaßen des Tieres. Mit ziemlichem Kraftaufwand zerbrach er die Knochen und riß die Schwingen vom Rumpf. Mit einem scharfen Knochenende stach er die Leibeshöhle an, glitzernde Flüssigkeit spritzte auf den Boden und wurde blasenwerfend vom Moos aufgesogen.
    „Hilf mir“, sagte er.
    Elspeth faßte ein Bein des Tieres, Darren das andere, und gemeinsam schleiften sie die Beute zum Eingang des festen Weges. Atemlos hockten sie sich dort ein Weilchen hin und lachten. Ihr Lachen wurde erregter, kindisch. Elspeth sagte, es müsse wirklich komisch ausgesehen haben, wie der Schwarzflügler sie mitgezerrt hatte. Sie lachten. Ja, tatsächlich, sagte Darren. Sie lachten noch mehr. Elspeth sagte, in ihrem ganzen Leben habe sie noch nie solche Angst gehabt; sie schrien vor Lachen.
    Ein paar Schwarzflügler verließen ihre Schlafplätze und flatterten geräuschvoll hinaus zu den fernen, verkrauteten Seen des Marschlandes; sie verschwanden in Dunst und Nebel unter den Blicken der beiden Jäger, die schweigend die Erlebnisse des Vormittags überdachten. Elspeth fuhr mit dem Finger die flachen Runen nach, die sie eingeritzt hatte, die zittrigen Linien des Rhombenmusters. „Danke“, flüsterte sie und hatte ein seltsames Gefühl dabei; unsicher sah sie den Stein an, als könne wundersamerweise irgendeine Antwort auf seiner grauen Oberfläche erscheinen.
    „Wir kommen morgen wieder her und meißeln sie tief ein“, sagte Darren.
    „Eine erfolgreiche Jagd“, entgegnete Elspeth stolz, „und meine eigenen Symbole, die noch lange zu sehen sein werden.“
    „Ein großer Augenblick“, stimmte Darren ihr bei. „Wenn du so weitermachst, wirst du bald den Erdwind einritzen.“
    „Was ist denn das, Darren? Du hast schon einmal davon gesprochen. Was ist der Erdwind?“
    Überrascht sah er sie an, dann blickte er auf die spinnenfüßigen Runen auf dem Stein. „Der Erdwind ist … nun eben der Erdwind.“ Er lächelte, sah sie wieder an und schüttelte den Kopf. „Das ist das Symbol, das uns das Leben gegeben hat und uns das Lied der Erde gibt, das uns führt.“
    „Das Orakel“, rief Elspeth aus, erfreut, denn jetzt dämmerte ihr, was er meinte. „Das Orakel heißt ‚das Lied der Erde’. Meinst du das?“
    Ihre Frage schien Darren unangenehm zu sein. Er fuhr Elspeths Runen mit dem Zeigefinger nach, runzelte die Stirn und schwieg.
    „Der Erdwind“, beharrte Elspeth. „Darren, was ist das? Ich meine … also bitte … zeige es mir … bitte! Zeig es mir!“
    „Zeigen kann ich es dir nicht …“ Darren verstummte und sah zur Seite. Er suchte nach Worten. Auf seinem Gesicht, über der Behaarung, glänzte der Schweiß.
    Plötzlich sprang er auf und rannte zu dem toten Schwarzflügler zurück. „Komm, bringen wir ihn in den Wald, wo ihn die anderen nicht sehen können.“
    Elspeth seufzte, entschloß sich aber, die Sache im Auge zu behalten. Es eilte ja auch nicht. Sie überschaute das Tal – von Laurian und Brigedd war nichts zu sehen. „Wo sind sie?“
    „Die tun, was wir auch tun sollten“, entgegnete Darren. Elspeth spürte einen Knoten im Magen; Darren war so sachlich.
    „Hängen?“
    „Ja, hängen. Aber nicht, solange dieses Biest hier herumliegt, wo jeder Jäger es sehen und sagen kann, es sei seins.“
    Sie schleiften das tote Tier zurück zum Fluß und von da zum Wald in die kleine Lichtung, wo sie sich alle vorhin getroffen hatten. Darren war außer Atem, sein gelbroter Pelz war naß und strähnig vor Schweiß. Elspeth fror einfach. Das Handgelenk tat ihr weh, sie hätte wenigstens Shorts oder sogar ein Paar anständige hohe Stiefel anziehen sollen. Ihre Mokassins scheuerten und rutschten an ihren schweißigen Füßen. Nacktsein brachte gewisse Unbequemlichkeiten mit sich.
    Sie ruhten sich etwas aus. Darren hockte sich hin, wickelte sein

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