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Erdwind

Erdwind

Titel: Erdwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Holdstock
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gesagt hatte. Ich habe eine ga n ze Weile überlegt, ob das Lied der Erde nicht auch durch meinen Verstand spricht. Verwirrung, Zweifel, Tod …“
    Doch kein Orakel ist das, was Iondai jetzt glaubte: nur ein Mann, der die Kraft dazu hat, ein Mann auf einer Welt, der seine visionäre Kraft durch das Wehen des Windes, das Stö h nen der Erde rationalisiert. Und auf einer Welt, wo Körper und Geist zugleich in der Vergangenheit und in der Zukunft lebten, hatten die Me n schen sicherlich die gesamte Zeit im Griff, und wenn es ihnen nicht bewußt war, so mochte der Verstand selber sich dessen bewußt sein (Syst e me von Kanälen – wie die Erd-Energien –, die kreuz und quer durch die Hirnrinde liefen und vielleicht die präkogn i tiven Hirnzentren erregten, die so lange im Bewegungsm o ment verschlossen lagen), und gewissen Menschen mit b e sonderer Sensitivität mochte die Zukunft leic h ter enthüllt werden als anderen; nicht im crog oder auch im freien Felde, sondern an einem Ort, der mit solchen Kräften in Verbi n dung gebracht wurde, der Orake l höhle (der Ort, an dem die ersten Menschen aufgetaucht waren, die auf den Aeran k a men, jene frühen Kolonisten, die vor Jahrhunderten g e landet waren, und zwar vermutlich nicht in der Ebene, sondern in den Bergen) –, und seitdem hatten die Seher in lebenslanger Schulung gelernt, sich an eben diesem ehrwürdigen Orte in die kommende Zeit ei n zustimmen.
    Tief unter ihnen stöhnte der Wind und wehte hinunter ins Tal mit einem Schrei, der wie Verzweiflung klang.
     
     
    Endlich kam Darren zurück, die Füße eisklamm in seinen M o kassins, doch ganz zufrieden. „Ich habe einen sicheren Pfad au s getreten“, sagte er, „aber der geht ziemlich steil hoch. Weißt du bestimmt, daß du diesen Weg schon einmal geklettert bist?“
    Iondai bejahte. „Es gibt viele Stellen, wo man sich fes t halten kann. Die Route ist steil und nicht leicht, aber mö g lich ist es.“
    „Damals warst du ja auch noch jünger“, entgegnete Da r ren mit arrogantem Grinsen. „Wie sieht es jetzt aus?“
    „Ich schaffe es immer noch“, erwiderte der Seher gela s sen.
    Dann kam Moir zurück, ebenfalls durchgefroren, und ließ sich von Iondai ein Weilchen die Füße massieren. Ihr Haar war voller Schnee, und Elspeth fing an, ihn mit der Hand herausz u bürsten, doch Moir und schlug nach ihr.
    Bestürzt versuchte Elspeth, das gespannte Verhältnis zw i schen ihnen etwas aufzulockern, doch Moir schnitt ihr das Wort ab. „Es gibt einen bequemen Weg zum Gipfel“, sagte sie; „ich glaube, wir nehmen lieber den.“
    „Der Weg in die Wand ist schon in Ordnung. Ich habe unsere Route ausgesucht“, fuhr Darren ärgerlich auf.
    „Da hätten wir den halben Tag zu klettern“, entgegnete Moir und starrte ihren Bruder böse durch das Dunkel an. „Wenn wir meinen Weg nehmen, brauchen wir nur eine Stunde durch ein bi ß chen Schnee zu stapfen.“
    Darren sah Elspeth an, als wolle er sagen: sag du ihr, daß wir nicht auf sie hören. Moir spürte, wie unsicher er war, und lac h te bitter auf. „Mir ist es ganz gleich, welchen Weg du gehst, Da r ren; ich nehme jedenfalls den leichten. Ich werde vor euch da sein, also paß auf, daß ich dir nicht einen Tritt gebe und du wi e der runterfliegst.“
    Mit wütendem Gebrüll fiel Darren über seine Schwester her und hätte sie möglicherweise über die Klippe gestürzt, wäre Elspeth nicht dazwischengegangen. Moir lag auf dem Rücken und lachte ihn aus; ihr Haar lag über den Schnee gebreitet, Blut rann aus dem Riß in ihrer Oberlippe, wo Da r rens Faust sie getroffen hatte.
    „Steh auf, Moir“, sagte Elspeth und streckte ihr die Hand entg e gen. Wieder schlug Moir ihr die Hand weg, drehte sich um, wusch sich das Gesicht im Schnee und schüttelte den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen.
    Darren knurrte und schäumte ein Weilchen und fragte dann laut und ärgerlich: „Also, welchen Weg? Welchen wollt ihr ne h men?“
    „Den leichten“, antwortete Elspeth. „Und du, Iondai?“
    „Lieber stapfen als klettern“, lächelte der Seher, „aber junge Le u te sollen ruhig ihren Spaß an der Wand haben. Soweit sie dazu Lust haben, heißt das.“
    Wütend schüttelte Darren den Kopf und reinigte die Fel s le i ste vom Schnee, den er über die Kante hinunterwarf; die we i ßen Streifen verloren sich in Dunkelheit und Ferne, im lautl o sen Fall zum Boden der Schlucht.
    „Noch etwas“, sagte Moir, „wir hätten uns die Kletterei durch die Schlucht sparen

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