Erdwind
sinnlos außer für einen abe r gläubischen, von Schamanen beherrschten Mob.“
„Und Sie werden von Ihrem ching beherrscht – ist das kein Aberglauben?“
Gorstein lachte. „Im Gegenteil, Mueller. Genau im G e genteil. Das ching, die Karten – all dieses Zeug, das der li e be Peter As h ka benutzt –, alles abergläubischer Unsinn. Ich habe das schon längst gespürt, und jetzt bin ich ganz sicher. Seit der Landung auf dem Aeran hat sich bei mir ein gewi s ser Wechsel vollzogen, als ob mir der Planet aufs Hirn g e klopft hätte: Hör zu, Karl, entw e der so oder so – entweder richte dich nach dem ching, oder laß es bleiben, aber mach nicht immer halb so und halb so. Das ching, dieses ve r dammte Buch, ist ein so eing e wurzelter Bestandteil unseres Lebens! Es ist so schwer, davon loszukommen, und so erfr i schend, die Trennung endlich doch vollzogen zu haben. Es ist purer Unsinn. Ich sehe es jetzt. Blinder Glaube, nützlich für blinde Gläubige. Aber ich bin nicht mehr blind, meine Süße! Ich sehe das große, helle Licht der Wahrheit! Vers u chen Sie’s gelegentlich auch mal. Es krä f tigt ungemein.“
„Dann ist dieses ganze Gerede, daß ich Sie töten will … was e i gentlich – ein Scherz?“
„Kein Scherz. Na ja, ein privater Scherz vielleicht – doch, nein, ich meine es todernst.“
„Na, Sie sind vielleicht ein widersprüchlicher Mensch! Gla u ben Sie daran, was das ching Ihnen gesagt hat, oder glauben Sie nicht daran?“
Er zögerte mit der Antwort.
„Ich habe den Konflikt gespürt, der vor uns beiden liegt. Irgen d wo tief innen habe ich ihn gespürt, Mueller. Was braucht ein Mann mehr, um sein Leben richtig zu leben? Ich habe das ching nur um des Fragens willen befragt. Natürlich hat es mir die An t wort gegeben, die ich wollte. Tut es das nicht immer? Es steckt so viel Zweideutigkeit in dem ve r dammten kleinen Buch, doch wenn man einen guten Rati o nalisten hat, rückt a l les so hübsch ordentlich zurecht. Aber bedeuten tut es übe r haupt nichts. Man hat ja immer einen gewissen Sinn für sein Schicksal; und wie das Orakel auch antwortet, es wird denj e nigen Sinn herausarbeiten, den man selbst hören will, wenn man lange genug darüber nac h denkt.“
„Sie haben offenbar keine Ahnung vom Wert des ching. Aber das ist ja auch kaum wichtig, nicht wahr? Ich spüre ebenfalls einen Konflikt, Schiffs-Meister. Ich spüre ihn, weil Sie ihn spüren; aber nur weil Ihnen offenbar ganz egal ist, ob eine Kultur isoliert lebt oder nicht, auch wenn diese Ku l tur nur dann bestehen kann, wenn sie isoliert bleiben kann, wenn sie auch wirklich isoliert bleibt.“
„Es ist mir nicht egal, Mueller. Im Gegenteil. Es intere s siert mich so sehr, daß ich begreife, daß Sie mit Ihrem Ger e de eine größere Bedrohung für die Aerani sind als tausend Schiffe, die am Ster n himmel vorbeiziehen.“
„Wieso? Ich bin hier integriert. Ich bin eine von ihnen.“
„Das sind Sie eben nicht. Das wissen Sie selbst, und die Aerani wissen es auch. Sie spielen herum, Mueller. Ich ke n ne Ihren Typ – ihr spielt euer Spielchen, ihr versteckt euch hinter hohen Idealen und windigen Rationalismen, aber all e samt wollt ihr bloß spielen, und die Wirklichkeit kümmert euch e i nen Dreck. Sie spielen das Spiel ‚Verständnis der Primitiven und ihrer Symbolik’! Und was ist, wenn Sie fe r tig sind mit Ihrem Spielchen? Was dann? Es veröffentl i chen? Warum sollten Sie es sonst gespielt haben? Dann wi s sen die Leute etwas, und dann werden sie ne u gierig und wollen es selber sehen. Sie sind eine Bedrohung, Mueller, eine größere als ich. Sie regen sich darüber auf, daß es den Aerani schaden könnte, wenn sie dieses Schiff sehen. Ich glaube nicht, daß wir nur halb soviel Schaden anrichten können, wie Sie bereits angerichtet haben.“
Wild klopfte Elspeths Herz vor Wut und Erregung; doch ihre ganze Feindseligkeit war auf einmal weg. Sie starrte den Schiffs-Meister an, der plötzlich ganz ruhig geworden war. Sekunde n lang schwangen seine Wort wie ein Echo in ihrem Kopfe, dann verblaßten sie nach und nah. Sie hörte nur noch das Zischen des Luftzirkulators.
Es war zum Heulen, aber Tatsache war, daß es zum gr o ßen Teil stimmte. Zwar trieb sie kein Spiel im Sinne Go r steins. Sie hatte nicht die Absicht, ihre aeranischen Funde zu veröffentl i chen – nur wegen der Selbstbefriedigung ihres eigenen Wi s sensdurstes war sie hier. Und selbst dieser Wunsch nach Wi s sen könnte schnell verblassen, wenn
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