Erdwind
nicht dieses eine Symbol wäre: der Erdwind.
Diese eine verzwickt-schöne Steinzeichnung reizte sie. Sie g e hörte beiden Kulturen an, der alten und der neuen, und war doch etwas Außerhalb-Stehendes – und wenn sie jetzt und hier ihre Mission auf dem Aeran definieren sollte: nicht mehr und nicht weniger als herauszubekommen, was dieses Symbol der Aerani bedeutete, was es in sich einschloß, was es widerspi e gelte. Da zwischen Erdwind und Orakel eine enge Verbindung bestand, konnte das eine hochinteressante Entdeckung werden. Und das war tatsächlich egoistisch, und vielleicht – wenn sie der Wahrheit ins Gesicht sah – war es der gleiche Egoismus, der sie an diesem Schiff und seinem schrecklichen Auftrag am meisten erzürnte. Doch sie fühlte tatsächlich etwas für den Aeran, und sie fühlte sehr stark, daß es unrecht war, dem Volk des crog eine Techn o logie (die Monitoren) aufzuzwingen. Und – damit hatte Gorstein auch wieder recht – ihr Einfluß war tatsächlich, wenn auch vielleicht nur in geringem Maße, sch ä digend. Sie wußte das bereits, und es hatte ihr erheblichen Kummer gemacht, und natürlich aus diesem Grunde hatte sie sich solche M ü he g e geben, sich in die prähistorische Kultur des Aeran zu integrieren. Tatsache blieb jedoch, daß sie kein Recht ha t te, anderen zu predigen, sie sollten eine isolierte Ku l tur in Ruhe lassen, wenn sie selbst diese Kultur, diese Gesel l schaft wi s sentlich durchsiebte, um möglichst viele Fakten zu sammeln.
Doch ihre momentanen Zweifel schwanden wieder. Schlie ß lich, dachte sie bitter, habe ich die Aerani in keiner Weise dazu veranlaßt, ihre Ansicht vom Universum anz u zweifeln oder zu ändern. Ich habe nicht versucht, sie zu i r gendeiner Religion zu bekehren oder ihnen beizubringen, wie man Metall oder Schußwaffen macht. Ich war nur eine Fremde, eine bizarre Fremde, gewiß; aber Fremde kann man immer tolerieren, ohne daß es gleich Ve r änderungen geben muß. Dieses Schiff und Gorsteins totale Sturheit waren ke i neswegs ebenso harmlos.
„Sie mögen recht haben“, sagte sie bitter, „aber ich habe ve r sucht, so behutsam wie irgend möglich vorzugehen, und das ist bei Ihnen nicht der Fall. Ich habe meine Raumfähre versteckt, Sie Ihr Schiff nicht. Ich habe nichts von anderen Welten gesagt …“ Das stimmte nicht, erinnerte sie sich schuldbewußt. Sie hatte eine ganze Menge gesagt, ehe sie merkte, daß dies ein Fehler war. „Nichts von Wichtigkeit jedenfalls. Können Sie das gleiche b e haupten? Kann das Ihr eigener Rationalist? Er hat Orakel ausg e tauscht – ist das Nichteinmischung?“
Die Arroganz in Gorsteins Miene trocknete ein. Er starrte sie leer an, fast so, als wüßte er nicht, ob er ihr glauben solle oder nicht. „Das habe ich nicht gewußt. Wann …? Wann haben sie diese Orakel ausgetauscht?“
„Vor ein paar Stunden. Es hat ein Duell gegeben – um die Frage, ob Sie umgebracht werden sollen oder nicht. Die Gemäßigten haben gewonnen; aber es gibt eine Menge sehr gemischter G e fühle hinter diesen Wällen.“
„Wir haben gewissermaßen … den Strom des Lebens u n terbr o chen. Das muß ich zugeben.“
Endlich!
„Aber nicht unwiderruflich, Schiffs-Meister. Starten Sie jetzt, dann werden Sie zum Mythos, und die Aerani werden weiterm a chen wie seit vierhundert Jahren.“
Immer noch schwieg Gorstein nachdenklich. Elspeth e r riet, w o hin sein Gedankengang führte.
„Haben die Kolonisten ihren Seher wegen der Monitoren b e fragt?“
„Ja“, erwiderte sie. „Der Seher hat gesagt: annehmen. Aber kümmern Sie sich nicht darum … bitte kümmern …“
„Werden sich die Kolonisten danach richten?“
„Ich weiß nicht. Ich glaube ja, obgleich es mehrere Fam i lien gibt, die gegen den Seher und sein Orakel sind.“
Gorstein lächelte. Er lehnte sich auf das Lukenbrett. An Schultern und Rücken traten die Muskeln hervor und glätt e ten sich wieder – ein Zeichen innerer Spannung, glaubte Elspeth. „Das heißt also wohl, die Aerani sind ihrem Abe r glauben so blind e r geben, daß sie selbst die Befehle eines unbegreiflichen, vom Himmel gefallenen Silberballes befo l gen werden.“ Wi e der sah er Elspeth an. „Sie werden es nicht verstehen, sie werden eine T o desangst davor haben, es wird ihre Lebensweise auf immer ve r ändern, aber sie werden tun, was das Orakel sagt. Ja?“
„Ja. Sie dürfen es nicht dazu kommen lassen.“
„Ich wünschte, es ließe sich irgendwie vermeiden, Mue l ler.“
„Dann
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