Erdwind
Instinkt; aber im Grunde haben Sie weder das eine noch das andere, denn b e züglich des ching sind Sie unsicher geworden, und so sind Sie abgetrieben … Sie sind, was Peter Ashka Treibgut nennt. Die einzigen Sicherheiten, die Sie haben, sind Ihre Aggression und die Vergange n heit. Aber die Zukunft … Sie haben eine so tiefsitzende Angst vor dem, was kommt, daß Sie sich in eine winzige Kapsel zurückziehen, die auf der Welle des gege n wärtigen Moments hüpft wie ein Korken. Sie schließen sich vor der Zukunft ab, versuchen, Ihre eig e ne Unsicherheit zu rational i sieren, indem Sie das ching und das Aerani-Orakel als abergläubischen U n sinn abtun. Sie sind ein Mann, der kein Ziel hat, Schiffs-Meister, und i r gendwo tief innen sind Sie ganz zusammeng e krümmt vor Angst.“
„Raus hier!“
„Ich geh’ schon, keine Sorge. Sie ist schwer zu ertragen, nicht wahr, Schiffs-Meister? Die Wahrheit, meine ich …“
„Raus!“
„… aber, sehen Sie, wir, die wir glauben, wir abergläub i schen Spinner, die ihre eigene Verbindung zum ching haben, wir mü s sen uns nicht mit diesen plötzlichen, furchtbaren Wahrheiten herumschlagen. Wir kennen unsere Schwächen und unsere Stä r ken, wir brauchen sie weder zu verbergen noch damit anzugeben, das ist nicht nötig. Wir leben alle in einer Harmonie, die Sie ni e mals kennengelernt haben – in Harmonie mit dem tao und in Harmonie mit unserem Selbst.“
„Aber trotzdem ist Ihr Leben eine Lüge. Machen Sie, daß Sie hier rauskommen!“
„Ich gehe. Ich gehe schon.“ Sie nahm ihre Jacke auf, e i nen ze r fetzten Lappen, der weder etwas verbarg noch saß, wie er sitzen sollte. Sie ließ nicht nach. „Ich kam hierher, weil ich Sie bitten wollte, wegzugehen. Sie haben gedacht, weil ich Sie töten wollte. Nun, Sie gehen nicht, und ich habe Sie nicht get ö tet; wir haben uns wohl beide geirrt. Aber wenn Sie auch nur ein bißchen Mi t gefühl in sich haben, Schiffs-Meister, dann werden Sie die Mission nicht durc h führen. Lassen Sie die A e rani in Frieden.“
Im Moment schwieg Gorstein. Er leckte sich die Lippen, wandte sich von Elspeth ab und trat wieder zum Fenster. Er nahm das leere Glas und drehte es in den Fingern, so daß es hell aufblitzte. In diesen Sekunden des Schweigens kam er Elspeth wie ein Mann vor, der von der Hoffnungslosigkeit des Ganzen zermalmt ist; doch das war vielleicht mehr ihr eigenes Wunschdenken. Schließlich sagte er: „Mueller, ich habe b e reits Befehl gegeben, die Operation auf dem Aeran einzustellen. Es war die unpopulä r ste Entscheidung, die ich je getroffen habe, und es wird eine Menge Ärger mit der Besatzung geben. Aber ich habe den Befehl gegeben. M a chen Sie nicht so ein erstauntes Gesicht, das steht Ihnen nicht. Alles, was Sie von mir wollen, hatte ich bereits durc h dacht. Ich sage nicht, daß nicht die Monitoren eines Tages doch noch implantiert werden; aber im Hinblick auf die N a tur der Kolonie wird die Mission auf unbestimmte Zeit ve r schoben.“
Sie konnte es kaum glauben. Sie wußte nicht, ob sie l a chen oder weinen sollte, ob sie noch etwas sagen oder ei n fach h i nausrennen sollte.
„So war dieser ganze Streit … unnötig. Sinnlos.“
„Alles ganz sinnlos“, stimmte er bitter zu. „Alles ganz grun d los.“
Sie starrten einander an, finster, zornig. „Nun“, sagte Elspeth, „was geschehen ist, ist geschehen. Was gesagt ist, ist gesagt. Ich bin froh, daß Sie diesen Befehl gegeben h a ben. Sehr froh sogar.“
Sie dreht sich kurz um und verließ das Schiff, die Reste ihrer Jacke eng an sich gezogen, um sich vor den peinlichen Blicken der Mannschaft zu schützen.
9
Sie ging direkt zum Fluß hinunter, wo ihr betriebsunfäh i ger Z u bringer immer noch im Unterholz versteckt lag, und sprang ins kalte Wasser, mit Rock, zerfetzter Jacke und allem. Sie plantsc h te ein paar Minuten und ließ sich dann langsam zum Grunde des Flusses sinken, ungefähr in si t zender Stellung, die Arme ausgestreckt. So spürte sie die Strömung an sich vorbe i ziehen. Als sie den Atem nicht länger anhalten konnte, stieg sie wieder hoch, schnappte nach Luft, schwamm ans Ufer und kroch durch den Schlamm aufs trockene Land. Sie kam sich vor wie ein Ausgesetzter, der unter lauten Dankes- und Freudenschre i en dem Meer en t steigt und Land betritt. Sie schrie auch tatsächlich laut vor Freude und Dankbarkeit, aber das g e hörte nicht zu dem ku r zen, zusammenhanglosen Spiel, das sie spielte.
Denn sie fühlte sich
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