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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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außerhalb von Hed, die Ihr in Unruhe gestürzt habt, mache ich mir Sorgen.«
    Die Schiffe stachen am Abend in See. Morgon blickte ihnen nach, als sie im geisterhaften, blassen lavendelblauen Zwielicht, das unter den Regenwolken über dem Meer hing, davonsegelten. Er hatte sein Pferd in einen Stall gegeben und im Gasthaus ein Zimmer genommen, um auf das Eintreffen von Rustin Kors Schiffen zu warten; durch das von Regenbächen gestreifte Fenster konnte er auf die öden Piers hinuntersehen, das stürmische Meer und die beiden Schiffe, die mit der Anmut von Seevögeln auf den rauhen Wogen schaukelten. Er blickte ihnen nach, bis das Licht verblich und ihre Segel mit der Dunkelheit verschmolzen. Dann legte er sich auf sein Bett. Irgend etwas nagte an ihm, etwas, das er nicht zu fassen bekam, obwohl er unaufhörlich seine Gedanken wandern ließ, in dem Bemühen, ihm auf die Spur zu kommen. Unerwartet tauchte Rendels Gesicht vor ihm auf, und er war erschreckt über die Freudlosigkeit, die er bei dem Gedanken an sie in sich gewahrte.
    Vor Jahren einmal war er mit ihr den Hang hinauf zum Seminar um die Wette gelaufen. Sie hatte ein langes, grünes Kleid getragen, das sie bis zu den Knien geschürzt hatte, um ungehindert laufen zu können. Er hatte sie gewinnen lassen, und oben hatte sie sich lachend und keuchend über seine Galanterie lustig gemacht. Rood war hinter ihnen heraufgekommen, in den Händen juwelenblitzende Nadeln, die sich aus ihrem Haar gelöst hatten; er warf sie ihr zu; sie fingen das Licht wie ein Schwärm fremdartiger, glitzernder Insekten, rot, grün, bernsteinfarben, lila. Zu ermattet, sie aufzufangen, hatte sie sie um sich herum zu Boden fallen lassen und gelacht, während ihr rotes Haar wie eine Mähne im Wind flatterte. Und Morgon hatte sie betrachtet, reglos und versunken, bis er von Roods schwarzen Augen auf seinem Gesicht einen Blick spürte, der fragend war, ausnahmsweise einmal beinahe sanft. Während er sich jetzt dieser Episode erinnerte, hörte er Roods Stimme, wie sie an dem letzten Tag geklungen hatte, an dem sie einander begegnet waren, scharf, mitleidlos. >Wenn du Rendel den Frieden von Hed bietest, so ist das eine Lüge!<
    Er fuhr hoch. Jetzt wußte er, was ihn gequält hatte. Rood hatte von Anfang an alles gewußt. Er konnte nicht nach Anuin reisen, um sich für seinen Sieg in einem Rätselkampf in dem Turm von Aum ehren zu lassen, wenn rund um ihn herum eine Hecke von Rätseln wuchs, die ihn, todbringend und unerbittlich, zu einem Kampf forderte, auf den einzulassen er sich weigerte. Er konnte anderen Königreichen den Rücken kehren, er konnte sich hinter den Toren des Friedens von Hed verschanzen, aber wenn er ihr die Arme öffnete, so würde er damit auch der Fremdheit und der Ungewißheit seines anderen Namens die Arme öffnen, denn er konnte ihr nicht weniger geben als sich selbst.
    Er stand auf, setzte sich auf das Fensterbrett und blickte lange in den Regen hinaus. Ein verschlungenes Netz von Rätseln wurde um seinen Namen gewoben; einmal hatte er sich aus ihm befreit; er brauchte nur die Hand zu heben, um es zu berühren, um wiederum darin verstrickt zu werden. In diesem Moment hatte er eine Wahl: Er konnte nach Hed zurückkehren, ohne Rendel ein stilles Leben führen, keine Fragen stellen, auf den Tag warten, an dem der Sturm, der sich an den Küsten und auf dem Festland zusammenbraute, mit tobender Gewalt über Hed hereinbrechen würde - dieser Tag, das wußte er, würde bald kommen. Oder er konnte sich auf einen Rätselkampf einlassen, den zu gewinnen er keine Hoffnung hatte, und der ihm als Preis, wenn er doch gewinnen sollte, einen Namen brachte, mit dessen Annahme alle Bande, die ihn an Hed fesselten, zerrissen.
    Nach einer Weile stand er kurz auf. Es war finster im Zimmer. Er suchte nach einer Kerze und zündete sie an. In ihrem
    Schein blickte ihm sein eigenes Gesicht aus dem Fenster entgegen und erschreckte ihn. Die Flamme selbst war ein Stern in seiner Hand.
    Er ließ die Kerze zu Boden fallen, trat die Flamme aus und legte sich wieder auf das Bett. Spät erst, nachdem der Regen aufgehört und das Heulen des Windes zu einem Murmeln geworden war, schlief er ein. Bei Tagesanbruch erwachte er, ging nach unten, um beim Wirt Brot und Wein zu kaufen. Dann sattelte er sein Pferd und ritt aus Hlurle hinaus, ohne noch einmal zurückzublicken. Er ritt in nördlicher Richtung auf Yrye zu, dem König von Osterland ein Rätsel zu stellen.

 
Kap. 8
    Zwei Wochen, nachdem er Hlurle

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