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Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel

Titel: Erdzauber 01 - Die Schule der Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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zu, doch der Schatten löste sich vor seinen Augen in formloses Weiß auf. Als er sich wieder umdrehte, konnte er im Schneegestöber weder sein Bündel noch seine Harfe entdecken.
    Blindlings stürzte er vorwärts, grub mit den Händen im Schnee unter Felsbrocken und Bäumen, die unvermittelt aus dem Flockenwirbel hervortraten. Immer wieder mußte er die Augen schließen, wenn der Sturm ihm münzgroße Flocken ins Gesicht trieb. Verzweifelt, wie rasend suchte er und verlor wieder die Orientierung, während er wie irr durch den Schnee kroch und das gellende Heulen des Windes ihn taub machte.
    Schließlich stieß er auf die Harfe, die schon von einer Schneedecke überzogen war; als er sie in den Händen hielt, begann er wieder klarer zu denken. Sie lag dort, wo er sie zurückgelassen hatte, unter dem Felsbrocken, neben dem er geschlafen hatte; der Fluß, das wußte er, befand sich zu seiner Linken. Sein Bündel und der Sattel lagen irgendwo im Schneetreiben vor ihm; aus Angst, wieder die Orientierung zu verlieren, versagte er es sich, nach ihnen zu suchen. Er hängte sich die Harfe über die Schulter und tappte langsam und vorsichtig zum Fluß zurück.
    Der Marsch am Fluß entlang war mühsam und beschwerlich. Gefährlich nahe hielt er sich am Wasser, um das schwache schiefergraue Leuchten des Flusses nicht aus den Augen zu verlieren. Manchmal, wenn vor seinen Augen alles in einem eintönigen weißen Gewoge verschwand, blieb er stehen und fragte sich erschreckt, ob er einem Trugbild gefolgt war. Sein Gesicht und seine Hände wurden steif und starr vor Kälte; das Haar, das unter seiner Kapuze hervorsah, war eisverkrustet. Er verlor jegliches Zeitgefühl, wußte nicht, ob Augenblicke oder Stunden verstrichen waren, seit er aufgebrochen war; wußte nicht, ob es Mittag oder Abend war. Er fürchtete den Einbruch der Nacht.
    Einmal prallte er Kopf voran gegen einen Baum; er blieb stehen und drückte sein Gesicht an die kalte, rauhe Rinde. Wie losgelöst von sich selbst fragte er sich, wie lange er noch durchhalten würde, was geschehen würde, wenn seine Beine zu müde waren, um ihn länger zu tragen, wenn die Nacht kam und er dem Fluß nicht mehr folgen konnte. Es war wohltuend, so an den Baum gelehnt zu stehen, der im Wind schwankte. Er wußte, daß er weiter mußte, doch seine Arme wollten den Stamm nicht loslassen. Ganz unerwartet sah er Eliards Gesicht vor sich, das ärgerlich und beunruhigt war, und er hörte seine eigene Stimme wie aus tiefster Vergangenheit: >Das will ich schwören: Ich komme zurück.<
    Widerwillig lösten sich seine Hände von dem Baum. Er erinnerte sich der Erleichterung in Eliards Augen. Hätte Eliard ihm nicht geglaubt, so hätte er jetzt wie ein Baum inmitten des Schneesturms von Osterland Wurzel fassen können; doch Eli- ard, der immer alles wörtlich nahm, würde von ihm erwarten, daß er sein Wort hielt. Er öffnete die Augen wieder; die bleiche, graue Welt war noch immer um ihn, und am liebsten hätte er geweint, so müde war er ihrer.
    Unmerklich begann der Tag sich zu verdunkeln. Zunächst fiel es ihm gar nicht auf, so angespannt war sein Blick auf das Wasser gerichtet; dann aber gewahrte er, daß der Fluß im Wind zu verschmelzen schien. Immer wieder stolperte er über Wurzeln, eisglatte Steine, immer schwerer wurde es ihm, einen Arm auszustrecken, um sich sein Gleichgewicht zu bewahren. Einmal glitt ein Stein unter seinem Fuß ins Wasser; nur ein wilder Griff nach dem herabhängenden Zweig eines Baumes rettete ihn davor, dem Stein zu folgen. Er kam wieder auf die Beine, umklammerte den Baum, während er von Kopf bis Fuß zitterte wie Espenlaub.
    Er drückte sein Gesicht fest gegen die Rinde und versuchte, klar zu denken. Die Nacht konnte er nicht überlisten. Er konnte versuchen, Obdach zu finden - eine Höhle, einen hohlen Baumstamm - , ein Feuer anzufachen; seine Hoffnung allerdings, daß ihm eines von beiden gelingen würde, war gering. Im Dunkeln konnte er dem Fluß nicht folgen, doch wenn er von ihm abschwenkte, würde er wahrscheinlich eine kurze Zeitlang ziellos durch das Schneegestöber streifen, dann einfach anhalten und vom Schnee und Sturm verschluckt werden; würde durch sein Verschwinden wie Kern zu einem weiteren Kuriosum von Hed werden, das die Großmeister in Caithnard auf ihre Listen setzen konnten. Hartnäckig wälzte er das Problem, während er unverwandt auf die Windungen und Biegungen der Baumrinde starrte, um seine Augen offen zu halten. Eine Höhle, ein Feuer

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