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Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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von Hallards Vorfahren, einst glatte grüne Hügel, aufgebrochen waren wie zerschlagene Eier. Vor ihnen zügelte sie ihr Pferd. Durch abgebröckeltes dunkles Erdreich und durch die Spalten der zertrümmerten Grundsteine hindurch konnte sie den schwachen Schimmer kostbarer Waffen erkennen, die kein Lebender zu berühren wagte. Sie hob den Kopf. Reglos standen die Wälder; der Sommerhimmel dehnte sich endlos über An, wolkenlos und friedlich; nur im Westen verdichtete sich das lichte Blau zu einer dunklen Linie über den Eichen. Sie wendete ihr Pferd wieder und blickte über die leeren, wispernden Felder hinweg.
    Leise sagte sie in den Wind hinein: »Farr, ich habe Euren Kopf. Wenn Ihr ihn haben wollt, damit er mit Euren Gebeinen unter der Erde von Hel liegen kann, dann kommt und holt ihn Euch.«
    Den Rest des Nachmittags brachte sie damit zu, am Rand des Waldes oberhalb der Grabhügel Holz zu sammeln. Als die Sonne unterging, zündete sie ein Feuer an und nahm den Schädel aus seiner samtenen Hülle. Er war verfärbt von Alter und Ruß; das Gold, das ihn umspannte, war wie in den Knochen hineingeschweißt. Die Zähne, hart aufeinandergebissen, waren unversehrt; die tiefen Augenhöhlen und die breiten, hervorspringenden Backenknochen vermittelten ihr eine Ahnung von dem König, dessen Kopf zornig und unbeugsam über Oens Misthaufen hinweggeblickt hatte. Der Feuerschein kräuselte die Schatten in den Augenhöhlen, und der Mund wurde ihr trocken. Sie breitete das leuchtende Stück Samt aus, legte den Schädel darauf. Dann zog sie die Kette aus Glasperlen aus ihrer Tasche, senkte ein Gedankenbild in sie hinein und bannte es mit ihrem Namen. Dann ließ sie die Perlen ins Feuer fallen. Rund um sie herum erhob sich eine leuchtende Glocke aus riesigen, feurigen Monden, die den Schädel, das Feuerholz und ihr unruhiges Pferd einschloß. Bei Mondaufgang hörte sie, wie das Vieh in Hallards Ställen zu brüllen begann. Hunde auf den kleinen Bauernhöfen jenseits der Bäume stimmten ein schrilles, geängstigtes Gebell an, das nicht aufhören wollte. Etwas, das nicht der Wind war, strich seufzend durch die Eichen, und Rendel zog die Schultern zusammen, als es über ihren Kopf hinwegglitt. Ihr Pferd, das neben ihr lag, sprang zitternd auf. Sie wollte ihm Beruhigung zusprechen, doch die Worte blieben ihr in der Kehle stecken. Aus den fernen Bäumen kam ein gewaltiges Krachen; Tiere, die bis dahin ruhig dagelegen hatten, sprangen taumelnd auf die Beine und flohen davor. Ein Hirsch, der blindlings über das Feld jagte, bäumte sich auf und röhrte laut, als er plötzlich vor sich die Feuerglocke sah, wirbelte herum und flog in Richtung auf die offenen Felder davon. Rehe, Füchse, Wiesel jagten lautlos und in panischer Angst an ihr vorüber, verfolgt vom Krachen brechender Äste und Büsche und einem unheimlichen, zitternden Brüllen, das wie-der und wieder durch die Bäume dröhnte. Zitternd kauerte Rendel am Feuer. Ihre Hände waren eiskalt, ihre Gedanken flogen auseinander wie vom Wind verwehte Spreu. Zweig um Zweig schob sie ins Feuer, bis die Glasperlen in rotglühenden Flammen schwammen. Sie mußte ihre ganze Willenskraft aufbringen, um sich daran zu hindern, das ganze Holz auf einmal zu verbrennen. Die Hände auf den Mund gepreßt, hockte sie da und wartete auf den Alptraum, der gleich aus der Finsternis auftauchen mußte.
    Er kam schließlich in Gestalt des mächtigen Weißen Stiers von Aum. Das massige Tier, das Cyn Croeg so liebte, wie Raith von Hel seine Schweineherden liebte, brach aus der Nacht hervor und stürmte ihrem Feuer entgegen. Eine Horde von Reitern auf gelben, rostroten, schwarzen Rössern mit mageren, knochigen Leibern und bösen Augen jagte das Tier. Die Pferde streckten ihre Hälse immer wieder seitwärts und schnappten im Laufen nach dem Stier. Der massige Körper des Stiers war mit Blut und Schweiß gefleckt, die Augen glommen in wahnwitziger Angst. Das Tier raste so nahe an Rendels Feuerkreis vorbei, daß sie seine rollenden Augen sehen und die Ausdünstung seiner Angst riechen konnte. Die Reiter umscharten den Stier, als er wendete, und achteten ihrer nicht. Nur der letzte wandte ihr die grinsende Grimasse seines Gesichts zu und zeigte ihr die Naht der Narbe, die quer über sein Gesicht lief und in einem weißen, verdorrten Auge endete.
    Alle Geräusche um sie herum schienen sich zu einem Punkt in ihrem Kopf zu bündeln; verschwommen fragte sie sich, ob sie ohnmächtig werden würde. Das Brüllen des

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