Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
Ost-Aum, zu Cyn Croeg. Er kam nicht einmal über die Grenze. Er kehrte zurück und babbelte zusammenhangloses Zeug von flüsternden Bäumen. Ich schickte einen anderen nach Anuin; ich weiß nicht, ob er sein Ziel erreichen wird. Und wenn ja, was kann Duac schon tun? Was kann man gegen die Toten tun?« Er wartete, um eine Antwort flehend, dann schüttelte er den Kopf. »Euer Vater sei verwünscht«, stieß er unverblümt hervor. »Er wird Oens Kriege noch einmal führen müssen, wenn er nicht vorsichtig ist. Ich würde selbst dem Land die Königsmacht entreißen, wenn ich wüßte, wie.«
»Nun«, versetzte sie, »vielleicht ist es das, was sie wollen. Die toten Könige. Habt Ihr welche von ihnen gesehen?«
»Nein. Aber ich weiß, daß sie da draußen sind. Und Pläne machen.« Mit düsterer Miene blickte er zu dem Streifen Waldes hinüber, der die Weiden begrenzte. »Was, in Hels Namen, können sie mit meinem Vieh wollen? Die Zähne dieser Könige liegen über sämtliche Felder verstreut. König Farrs Schädel grinst seit Jahrhunderten von der Mauer über dem Kamin in den großen Saal hinunter; wie will er essen?«
Ihre Augen glitten von den reglosen Wäldern zurück zu seinem Gesicht.
»Sein Schädel?« Ein Gedanke regte sich in ihr. Hallard nickte müde.
»Angeblich. Irgendein unerschrockener Rebell, heißt es, stahl Oen den Schädel, nachdem Oen ihn gekrönt und ihn auf einer Lanzenspitze in einen Misthaufen gesteckt hatte. Jahre später fand er seinen Weg hierher zurück. Die Krone war aufgeschnitten und wieder zusammengeschweißt worden, damit sie auf den blanken Knochenschädel paßte. Mag Schwarze, dessen Vater in jenem Krieg den Tod gefunden hatte, war noch immer zornig genug, den Schädel wie eine Schlachttrophäe samt der Krone über seinen Kamin an die Mauer zu nageln. Nach so langer Zeit hat sich das Gold in den Knochen hineingefressen; die Krone und der Schädel sind untrennbar miteinander verschmolzen. Das ist es ja, was ich nicht verstehe«, fügte er abschweifend hinzu, »weshalb sie mein Land unsicher machen; sie sind doch meine Vorfahren.«
»Es wurden auch Ritter von An hier getötet«, meinte sie. »Vielleicht waren sie es, die Eure Weizenfelder zerstörten. Hallard, ich möchte den Schädel haben.«
»Ihr wollt was?«
»Ich möchte Farrs Schädel haben.«
Sprachlos starrte er sie an. Sie spürte die Anstrengung in ihm, als er sich bemühte, sie an den ihr gebührenden Platz in einer ihm bekannten Welt zurückzuversetzen. »Wozu?«
»Fragt nicht. Gebt ihn mir.«
»In Hels Namen, wozu?« brüllte er und brach ab. Wieder drückte er die Augen zu. »Verzeiht. Ihr hört Euch an wie Euer Vater; er hat eine Gabe dafür, mich zum Brüllen zu bringen. Also. Wir wollen doch beide versuchen, vernünftig zu sein -«
»Nie in meinem Leben lag mir weniger daran, vernünftig zu sein. Ich möchte diesen Schädel haben. Ich möchte, daß Ihr in Euren großen Saal geht und ihn, ohne ihn zu beschädigen, von der Mauer nehmt. Dann wickelt Ihr ihn in Samt ein und gebt ihn mir -«
»Samt?« explodierte er erneut. »Seid Ihr verrückt geworden?«
Flüchtig ließ sie sich diesen Gedanken durch den Kopf gehen, dann schrie sie zurück: »Kann sein! Aber es kümmert mich nicht. Ja, Samt! Möchtet Ihr Euren eigenen Schädel auf einem Fetzen Sackleinwand sehen?«
Sein Pferd bäumte sich auf, als hätte er es unwillkürlich vor ihr zurückgerissen. Seine Lippen öffneten sich; sie hörte seinen raschen Atem, als er um Worte rang. Dann streckte er langsam seinen Arm aus, legte seine Hand auf ihren Unterarm.
»Rendel.« Er sprach ihren Namen wie eine Ermahnung für sie beide. »Was wollt Ihr damit anfangen?«
Sie schluckte. Der Mund wurde ihr trocken, als sie ihre Absichten in Augenschein nahm.
»Hallard, der Sternenträger durchwandert Euer Land -«
»Jetzt?« rief er ungläubig, und wieder wurde seine Stimme laut.
Sie nickte. »Und in seinem Gefolge - in meinem Gefolge ist etwas. vielleicht der Gründer von Lungold. Ich kann Morgon nicht vor ihm beschützen, aber vielleicht kann ich die Toten von An daran hindern, seine Anwesenheit zu verraten -«
»Mit einem Totenschädel?«
»Wollt Ihr wohl leise sprechen!«
Er rieb sich das Gesicht mit beiden Händen.
»Bei Madir! Der Sternenträger kann für sich selbst sorgen.«
»Selbst er könnte ein wenig in Bedrängnis geraten, wenn der Gründer und die entfesselten Kräfte von An sich zu gleicher Zeit gegen ihn wenden.« Ihre Stimme wurde wieder ruhig. »Er
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