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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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sie es bedauerte, Anuin verlassen zu haben. Er stellte sich die Reise ohne sie vor; halb Ymris hätte er schon hinter sich, wenn er den Weg der Krähe nach Lungold genommen hätte; sein fester Flügelschlag in stiller Nacht hätte ihn über das Hinterland in eine fremde Stadt getragen, wo er Ghisteslohm erneut gegenübertreten wollte. Ihr Schweigen baute sich Stein um Stein um seine Erinnerungen auf, ließ eine finstere Nacht erstehen, in der es nach Kalkstein roch, während irgendwo aus der Ferne das schwache Plätschern von Wasser zu hören war, das von ihm fortfloß.
    Er zwinkerte die Finsternis weg, sah wieder die Welt, den Staub und das schmutzige Grün der Bäume, das Licht der Sonne, das in den Messingkesseln auf dem Wagen eines Trödlers rhythmisch auf und nieder tanzte. Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Und endlicL schlug Rendel selbst eine Kerbe in die Mauer ihres Schweigens.
    »Was habe ich falsch gemacht? Ich habe dir doch genau zugehört.«
    Er antwortete müde: »Mit deiner Stimme hast du >ja< gesagt, und >nein< mit deinem Geist. Aber es ist der Geist, der die Arbeit tut.«
    Sie schwieg wieder, während sie ihn stirnrunzelnd anblickte.
    »Was ist mit dir?«
    »Nichts.«
    »Es tut dir leid, daß ich mit dir gekommen bin.«
    Er riß an seinen Zügeln. »Hör auf! Du drückst mir das Herz ab. Du bist doch diejenige, der es leid tut.«
    Jetzt hielt auch sie ihr Pferd an; er sah die plötzliche schmerzliche Verzweiflung in ihrem Gesicht. Bestürzt und hilflos sahen sie einander an. Ein Maultier wieherte hinter ihnen, und sie ritten wieder, eingeschlossen in das vertraute, drückende Schweigen, aus dem es, wie es schien, keinen Ausweg gab, so wenig wie aus einem Turm ohne Tür.
    Nach einer Weile hielt Morgon ihre beiden Pferde plötzlich an und führte sie von der Straße weg, um sie trinken zu lassen. Das Getöse von der Straße verhallte; die Luft war klar und rein, von Vogelgesang erfüllt. Am Flußufer kniete er nieder und trank von dem kalten, flinken Wasser, benetzte sein Haar und Gesicht. Rendel stand neben ihm, und das Spiegelbild ihrer Gestalt wirkte selbst im bewegten Wasser steif und starr. Er ließ sich auf die Fersen zurückfallen und betrachtete die verschwommenen Linien und Farben. Langsam drehte er den Kopf und blickte zu ihrem Gesicht hinauf.
    Er wußte nicht, wie lange er sie so ansah. Plötzlich jedoch begann ihr Gesicht zu zucken, und sie kniete neben ihm nieder und umklammerte ihn.
    »Wie kannst du mich so ansehen!«
    »Es waren nur Erinnerungen«, sagte er. Ihr Hut fiel herunter; er streichelte ihr Haar. »Ich hab’ in den letzten zwei Jahren so häufig an dich gedacht. Jetzt brauch’ ich nur den Kopf zu drehen, um dich neben mir zu sehen. Es erstaunt mich manchmal immer noch, wie ein Stück Zauberei, von dem ich nicht wußte, daß ich es vollbringen kann.«
    »Morgon, was wollen wir nur tun? Ich habe Angst - ich habe solche Angst vor dieser Kraft, die ich besitze.«
    »Vertrau dir selbst.«
    »Das kann ich nicht. Du hast gesehen, was ich mit dieser Kraft in Anuin angestellt habe. Ich war ja kaum noch ich selbst; ich war der Schatten eines anderen Erbes - eines Erbes, das dich zerstören will.«
    Er drückte sie fest an sich.
    »Du hast mir Gestalt gegeben«, flüsterte er. Lange hielt er sie schweigend in den Armen. Dann sagte er ein wenig zaghaft: »Kannst du es aushaken, wenn ich dir eine Rätselgeschichte erzähle?«
    Sie rückte ein wenig von ihm ab, um ihn anzusehen, und lächelte leicht. »Vielleicht.«
    »In Herun war mal eine Frau, eine Frau, die in den Bergen lebte. Sie hieß Arya und sammelte Tiere. Eines Tages fand sie ein winziges schwarzes Tier, dem sie keinen Namen geben konnte. Sie nahm es in ihr Haus, fütterte es, hegte und pflegte es. Und es wuchs. Und es wuchs. Es wurde so groß, bis all ihre anderen Tiere aus dem Haus flohen, und dann lebte es allein mit ihr, schwarz, von ungeheurer Größe, namenlos. Von Zimmer zu Zimmer wanderte es mit ihr, während sie in ständiger Angst lebte, unfrei, nicht wußte, was sie mit diesem Tier tun sollte, nicht wagte, es herauszufordern - «
    Sie hob die Hand und preßte sie auf seinen Mund. Dann senkte sie wieder ihren Kopf an seine Schulter. Er spürte ihren Herzschlag.
    »Und«, flüsterte sie schließlich. »Was hat die Frau getan?«
    »Was wirst du tun?«
    Er wartete auf ihre Antwort, doch wenn sie ihm eine gab, so trug der Fluß sie fort, ehe er sie hörte.
    Es war ruhiger auf der Straße, als sie wieder hinausritten.

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