Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
Vom Netzwerk:
Abendliche Schatten lagen wie dunkle Streifen auf ihrem staubweißen Band. Die Sonne hing blitzend zwischen Eichenästen. Der Staub hatte sich gelegt; die meisten Wagen waren weit vor ihnen. Morgon verspürte einen Anflug von Unbehagen angesichts ihres Alleinseins. Er sagte nichts zu Rendel, doch er war erleichtert, als sie eine Stunde später den größeren Teil der Händler einholten. Ihre Wagen und Pferde standen draußen vor einem Gasthaus, einem windschiefen Bau, groß wie eine
    Scheune, mit Stallungen und einer Schmiede dabei. Nach dem Gelächter zu urteilen, das aus seinem Inneren kam, gab es dort gut zu essen und zu trinken, und das Geschäft florierte. Morgon führte die Pferde zu der Tränke vor dem Stall. Er lechzte nach einem Bier, doch er schreckte davor zurück, sich in der Gaststube zu zeigen. Die Schatten auf der Straße verblichen, als sie weiterritten; das Grau des Abends stand wie ein Geist vor ihnen.
    Die Vögel wurden still; das Hufgetrappel ihrer Pferde war das einzige Geräusch auf der verödeten Straße. Zweimal ritten sie an einer Gruppe von Pferdehändlern vorüber, die um ein großes Feuer lagerten, während ihre Tiere angebunden und bewacht ruhig im Schatten der Bäume standen. In ihrer Nähe wären sie vielleicht sicher gewesen, doch Morgon verspürte einen plötzlichen Widerwillen anzuhalten. Die Stimmen verklangen hinter ihnen; sie ritten tiefer hinein in das Grau des Abends. Rendel war es nicht geheuer, das spürte er, doch er konnte nicht anhalten. Schließlich neigte sie sich zu ihm hinüber und berührte ihn, und er sah sie an. Ihr Gesicht war nach rückwärts gewandt, dem Stück Straße zu, das hinter ihnen lag, und er zügelte heftig sein Pferd.
    Eine Gruppe von Reitern, die sich etwa eine Meile hinter ihnen befanden, verschwand in einer Mulde der Straße. Das Zwielicht verwischte ihre Gestalten, als sie auftauchten. Sie ritten schneller, als der späten Stunde angemessen war. Morgon beobachtete sie einen Augenblick lang. Wortlos schüttelte er den Kopf in Antwort auf Rendels stumme Frage.
    »Ich weiß es nicht. «
    Unvermittelt lenkte er sein Pferd von der Straße weg in die Bäume hinein. Sie folgten dem Fluß, bis es beinahe zu dunkel war, um noch etwas zu sehen. Erst da machten sie halt, entzündeten aber kein Feuer, begnügten sich zum Abendessen mit Brot und Trockenfleisch. Dort, wo sie ihr Lager aufgeschlagen hatten, war der Fluß tief und strömte träge, beinahe lautlos dahin. Deutlich konnte Morgon die Geräusche der Nacht hören; die Reiter überholten sie nicht. Seine Gedanken glitten zurück zu der schattenhaften, schweigenden Gestalt, die er in den Bäumen gesehen hatte, zu dem geheimnisvollen Schrei, der zu so gelegener Zeit aus dem Nichts gekommen war. Lautlos zog er sein Schwert.
    »Morgon«, sagte Rendel, »du warst fast die ganze letzte Nacht auf. Heute halte ich Wache.«
    »Ich bin das gewöhnt«, erwiderte er.
    Doch er gab ihr sein Schwert und streckte sich auf einer Decke aus. Er schlief nicht; er lag lauschend in der Dunkelheit, blickte zu den Sternen auf, deren Konstellationen sich im Laufe der Nacht langsam verschoben. Wieder hörte er die schwachen, stockenden Klänge der Harfe, die aus der Finsternis kamen wie eine Verhöhnung seiner Erinnerungen.
    Ungläubig setzte er sich auf. Er konnte keine Lagerfeuer zwischen den Bäumen sehen; er hörte keine Stimmen, nur das ungeschickte Harfenspiel. Die Saiten waren fein gestimmt; die Harfe hatte einen sanften, weichen Ton, doch der Harfner stolperte immer wieder über seine Noten. Morgon verschränkte seine Finger vor seinen Augen.
    »Wer, in Hels Namen...?« Abrupt sprang er auf.
    »Morgon«, sagte Rendel leise, »es gibt auch, noch andere Harfner auf der Welt.«
    »Er spielt im Dunklen.«
    »Woher weißt du, daß es ein Mann ist? Vielleicht ist es eine Frau oder ein Junge mit seiner ersten Harfe, der allein nach Lungold reist. Wenn du alle Harfen auf der Welt zerstören willst, dann fängst du am besten mit der an, die du auf dem Rücken trägst, weil das die einzige ist, die dir niemals Frieden lassen wird.«
    Er erwiderte nichts.
    »Kannst du es aushaken«, fügte sie hinzu, als wäre sie ein Echo von ihm, »wenn ich dir eine Rätselgeschichte erzähle?«
    Er drehte sich um, sah die von Mondlicht umflossenen Konturen ihres Körpers, die Klinge, die sanftglitzernd in ihren Händen lag.
    »Nein«, antwortete er.
    Nach einer Weile setzte er sich neben ihr nieder, ausgelaugt von der Anstrengung, die Töne einer

Weitere Kostenlose Bücher