Erdzauber 03 - Harfner im Wind
stolpert wie ein Blinder in seine Macht hinein. Ich will ihn im Erlenstern-Berg haben, und ich will nicht mit ihm kämpfen müssen, um ihn dort hinzubringen.«
»Ich gehe nie wieder zum Erlenstern-Berg zurück«, sagte Morgon unwillkürlich.
Der Zauberer ignorierte ihn; seine Augen ruhten gespannt, ein klein wenig zusammengezogen auf Thods Gesicht.
Thod sagte leise: »Ich bin alt und verkrüppelt und sehr müde. Ihr habt mir in Hel wenig mehr gelassen als mein Leben. Wißt Ihr, was ich danach getan habe? Ich habe mein Pferd nach Caithnard geführt und einen Händler gefunden, der mir nicht ins Gesicht spie, als ich ihn ansprach. Bei ihm tauschte ich mein Pferd gegen die letzte Harfe, die ich je besitzen werde. Und ich versuchte, auf ihr zu spielen.«
»Ich habe gesagt, daß ich - «
»In diesem ganzen Reich steht mir nicht ein Hof offen, an dem ich spielen könnte, selbst wenn Ihr meine Hände heiltet.«
»Dieses Risiko hast du vor sechs Jahrhunderten angenommen«, entgegnete Ghisteslohm. Seine Stimme war dünn geworden. »Du hättest einen geringeren Hof als den meinen wählen können, um dort auf deiner Harfe zu spielen, irgendeinen unschuldigen, machtlosen Hof, dessen Unschuld diesen letzten Kampf nicht überleben wird. Du weißt das. Du bist zu weise, um zu Vorwürfen zu greifen, und du mußtest niemals verlorener Unschuld nachtrauern. Du kannst hierbleiben und verhungern oder Rendel von An zum Erlenstern-Berg bringen und mir helfen, diesen Kampf zu beenden. Dann kannst du dir jede Belohnung nehmen, die du für deine Dienste haben willst.« Er machte eine Pause, dann fügte er unwirsch hinzu: »Oder bist du mit einem geheimen, verborgenen Teil deines Wesens, den ich nicht erreichen kann, an den Sternenträger gebunden?«
»Ich schulde dem Sternenträger nichts.«
»Das war nicht meine Frage.«
»Ihr habt mir diese Frage schon einmal gestellt. In Hel. Wollt Ihr noch einmal eine Antwort?« Er hielt inne, als wäre ihm der plötzliche Zorn in seiner Stimme selbst unvertraut, und ruhiger fuhr er dann fort: »Der Sternenträger ist der Dreh- und Angelpunkt eines Spiels. Ich wußte so wenig wie Ihr, daß er in Gestalt eines jungen Fürsten von Hed erscheinen würde, der in mir eine Zuneigung erwecken sollte, die der Liebe gefährlich nahe kam. Eine andere Bindung besteht nicht, und dies ist kaum von Bedeutung. Ich habe ihn Euch zweimal verraten. Aber Ihr müßt Euch einen anderen suchen, Rendel von An zu verraten. Ich stehe in ihrer Schuld. Auch dies ist eine Sache von geringer Bedeutung. Sie ist keine Bedrohung für Euch, und jeder Landherrscher im Reich kann an ihrer Stelle - «
»Die Morgol?«
Thod war ganz still, atmete nicht, zuckte mit keinem Muskel. Er stand wie von Wind und Wetter aus Stein gemeißelt. Morgon wischte sich mit dem Handrücken etwas aus dem Gesicht; erstaunt sah er, daß er weinte.
Schließlich sagte Thod sehr leise: »Nein.«
»So.« Der Zauberer betrachtete ihn, und um seine Mundwinkel bildeten sich haarfeine Linien der Ungeduld und der Gewalt. »Hier haben wir also etwas, das keine so bedeutungslose Angelegenheit ist. Ich habe mich schon gewundert. Wenn ich dich nicht wieder in meine Dienste aufnehmen kann, dann kann ich dich vielleicht überreden. Die Morgol von Herun hat mit zweihundert ihrer Wachen vor Lungold ihr Lager aufgeschlagen. Die Wachen sind da, vermute ich, um die Stadt zu schützen; die Morgol wartet, einem Gefühl folgend, das mir unverständlich ist, auf dich. Ich gebe dir die Wahl. Wenn du dich dafür entscheidest, Rendel hier zurückzulassen, werde ich die Morgol mit mir zum Erlenstern-Berg nehmen, sobald ich mit Morgons Hilfe die letzten der Zauberer von Lungold bezwungen habe. Wähle!«
Er wartete. Der Harfner stand wieder reglos; selbst die verkrüppelten Knochen seiner Hände schienen spröde. Die Stimme des Zauberers peitschte ihm ins Gesicht, und er zuckte zusammen. »Wähle!«
Rendel drückte beide Hände auf ihren Mund.
»Thod, ich gehe mit«, flüsterte sie. »Ich werde Morgon sowieso folgen. Ich werde nicht eidbrüchig werden.«
Der Harfner sprach nicht. Sehr langsam schließlich ging er auf sie zu, die Augen auf Ghisteslohms Gesicht geheftet. Einen Schritt vor ihr blieb er stehen und holte Atem, um zu sprechen.
Mit einer blitzartigen Bewegung dann schlug er dem Gründer mit dem Rücken seiner verkrüppelten Hand ins Gesicht.
Ghisteslohm wich zurück. Seine Finger bohrten sich bis auf den Knochen in Morgons Arm, aber der hätte sowieso keinen
Weitere Kostenlose Bücher