Erdzauber 03 - Harfner im Wind
in diese Falle hineingelaufen.« Er fing an, sich selbst nach allen Regeln der Kunst zu verwünschen, bis er sie aufstehen hörte. Er packte sie am Handgelenk und zog sie wieder herunter. »Nein!«
»Willst du mich wohl loslassen! Ich werde dem Händler sagen, daß er anhalten soll. Wenn du mich nicht sofort losläßt, schreie ich.«
»Nein. Rendel, hör mir zu. Willst du wohl zuhören! Wir befinden uns nur ein paar Meilen westlich von der Stelle, wo wir gefangen wurden. Die Gestaltwandler werden uns suchen. Und Ghisteslohm auch, wenn er nicht tot ist. Wir müssen ihnen entkommen.«
»Ich habe nicht einmal Schuhe an den Füßen! Und wenn du mir jetzt sagst, daß ich mich verwandeln soll, dann verfluche ich dich.« Dann streichelte sie wieder seine Wange und schluckte. »Morgon, kannst du nicht aufhören zu weinen?«
»Hab5 ich noch nicht aufgehört?«
»Nein.« Ihre eigenen Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Du siehst aus wie ein Gespenst aus Hel. Bitte laß dir von dem Händler helfen.«
»Nein!«
Der Wagen kam plötzlich mit einem Ruck zum Stehen. Morgon stöhnte. Unsicher stand er auf und zog sie hoch. Das verdutzte Gesicht des Händlers blickte durch einen Spalt in der Plane nach rückwärts zu ihnen.
»Bei den Augen des Wolfskönigs, was macht Ihr dort hinten?« Er zog die Plane weiter auseinander, so daß das Licht auf sie fiel. »Schaut doch, was Ihr da mit dem bestickten Stoff angestellt habt! Ist Euch eigentlich klar, wieviel das kostet? Und der weiße Samt dort. «
Morgon hörte, wie Rendel Atem holte, um etwas zu erwidern. Er umfaßte ihre Hand und schickte seinen Geist vorwärts wie einen Anker, der an seiner Kette über das Wasser geworfen wird und versinkt, um in den Wellen einen Ruheplatz zu finden. Er fand ein stilles, sonnenbeschienenes Stück Straße, wo nur ein einsamer Musikant auf dem Rücken seines Pferdes vor sich hin trällerte, während er gen Lungold ritt. Morgon bannte Rendels Geist, so daß sie mitten im Satz innehielt, und trat mitten hinein in den Gesang.
Nur kurz standen sie auf der Straße, während der Sänger sich von ihnen entfernte, ohne sie zu bemerken. Das plötzliche Licht drehte sich in wirbelnden Kreisen um Morgon. Rendel lehnte sich mit einer überraschenden Kraft gegen die Umklammerung durch seinen Geist auf. Sie war zornig, das spürte er, und darunter voller Angst. Sie hätte seinen Bann brechen können, das wußte er plötzlich, als er den unerschöpflichen Kraftquell in ihr witterte, doch sie war zu verängstigt, um ihre Gedanken und ihre Energien zu bündeln. Formlos, weit geöffnet flog sein Geist wieder über die Straße dahin, berührte das Wesen von Pferden, eines Falken, von Krähen, die pickend um ein erloschenes Lagerfeuer hockten. Ein Bauernbursche, der sein Erbe hinter sich ließ und auf einem alten Ackergaul die Straße hinunterritt, um in Lungold sein Glück zu machen, war neuer Ankerplatz für Morgons Geist. Wieder ging Morgon vorwärts. Während sie in der Staubwolke standen, die der Ackergaul aufgewirbelt hatte, hörte Morgon sein eigenes keuchendes, erschöpftes Atmen. Irgend etwas traf mit schmerzhaften Schlägen seinen Geist, und beinahe hätte er sich gewehrt; dann aber merkte er, daß es Rendels geistiger Schrei war. Er brachte ihren Geist und den seinen zur Ruhe und blickte weit voraus, die Straße hinunter.
Ein Schmied, der von Dorf zu Dorf wanderte, Pferde beschlug und Kessel flickte, saß dösend in seinem Wagen und träumte von kühlem Bier. Morgon träumte seinen Traum mit ihm und folgte ihm durch den heißen Morgen. Rendel war seltsam still. Ein heftiges Verlangen, mit ihr zu sprechen, überkam ihn, doch er wagte nicht, seine Konzentration zu brechen.
Wieder öffnete er seinen Geist und warf ihn aus und hörte schließlich das Gelächter einer Gruppe von Händlern. Er sog es in sich ein, bis es unmittelbar neben ihm unter den Bäumen war. Und da entglitt ihm plötzlich Rendels Geist. Bestürzt suchte er nach ihm, berührte aber nur die unbestimmten Gedanken von Bäumen oder Tieren. Er konnte sie mit seinem Geist nicht finden. Als seine Konzentration zerbrach, sah er sie vor sich stehen.
Sie atmete hastig, während sie ihn anstarrte. Ihr Körper war gespannt, als wollte sie schreien oder zuschlagen.
»Noch einmal«, sagte er. »Bitte. Zum Schluß.«
Sie zögerte einen Moment, dann nickte sie. Er berührte ihre Hand und ihren Geist. Er tastete im Sonnenlicht nach kühlen Wesen: Fischen, Wasservögeln, Flußbewohnern. Der
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