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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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Ohm«, sagte er, »kennt Ihr das Rätsel von dem Mann, der um Mitternacht die Tür seines Hauses öffnete und vor sich nicht den schwarzen Himmel erblickte, sondern das pechschwarze Auge irgendeines unbekannten Geschöpfes, das sich weit über sein Blickfeld hinaus bis in unmeßbare Dimensionen erstreckte? Schaut uns noch einmal an. Und dann geht, ruhig und friedlich, und laßt den Sternenträger und unsere Verwandte zurück.«
    »Schaut doch Ihr!« entgegnete der Gründer brüsk.
    Morgon, der noch immer unter seinem Bann stand, wurde unter der Kraft, die aus ihm herausfloß, nach rückwärts geschleudert; eine überwältigende Kraft, die den Gestaltwandlern entgegenbrandete, eine Eiche fällte und verängstigte Vögel kreischend in die Lüfte trieb. Das lautlose Donnern des Feuers rollte ihnen mit rasender Geschwindigkeit entgegen; Morgon fühlte es, doch wie aus weiter Ferne, da der Zauberer seinen Geist dagegen abgeschirmt hatte. Als die geborstenen Bäume ruhig lagen, tauchten die Gestaltwandler langsam wieder aus der Schar der Vögel auf, die erschreckt in die Luft geflattert waren. Ihre Anzahl hatte sich verdoppelt; auch die reglosen Pferde waren Gestaltwandler gewesen. Ganz allmählich nahmen sie wieder ihre früheren Gestalten an, während Ghisteslohm, das spürte Morgon, darüber rätselte, wie weit ihre Macht und ihre Kraft reichten. Seine Hand, die immer noch Morgons Schulter umfaßt hielt, war schlaff geworden. Ein Zweig in einem Busch knackte leise, und da griffen die Gestaltwandler an.
    Eine Woge schimmernder Schwärze, von lautlosen, muschelschwarzen Hufen getragen, wälzte sich ihnen so schnell entgegen, daß Morgon kaum Zeit hatte zu reagieren. Er warf ein Trugbild von Nichts über sich selbst, das, so vermutete er, nur Rendel bemerkte; sie stieß einen unterdrückten Schrei aus, als er sie am Handgelenk packte. Etwas traf ihn - ein Pferde-huf oder das Heft eines Schwertes, und er spürte, wie seine Muskeln sich spannten, den Todesstoß zu empfangen. Doch nichts berührte ihn, nur ein flüchtiger Wind streifte über ihn hin. Er schickte seinen Geist voraus, meilenweit die Straße hin-unter, wo ein Händler auf dem Kutschbock eines Wagens, der mit Tuchballen beladen war, sich seine Langeweile mit Pfeifen vertrieb. Er füllte Rendels Geist mit demselben lebendigen Bild, packte sie fest und zog sie mit sich in diese andere Wirklichkeit hinein.
    Einen Augenblick später lag er neben ihr auf dem Boden des großen, überdachten Wagens, und sein Blut floß auf einen Ballen bestickten Leinens.

Kap. 6
     
    Rendel schluchzte. Er versuchte, sie zu beruhigen, drückte sie an sich, während er lauschte, doch sie konnte nicht aufhören. Durch ihr Weinen hindurch hörte er das Knirschen der Räder im Staub und das Pfeifen des Fahrers, das durch die Tuchballen, die hinter ihm aufgestapelt waren, und durch die Plane, die den Wagen überspannte, nur gedämpft zu vernehmen war. Auf der Straße war es still; er hörte keine Geräusche, keinen Tumult hinter ihnen. Sein Kopf schmerzte; er lehnte sich gegen das Leinen. Seine Augen schlössen sich. Wieder donnerte Finsternis geräuschlos auf ihn zu. Ein Wagenrad rumpelte polternd durch ein Schlagloch, und er fuhr hoch. Rendel entwand sich seinen Armen und setzte sich auf. Sie schob sich das Haar aus den Augen. »Morgon, er kam in der Nacht und holte mich, und ich war barfuß - ich konnte nicht einmal rennen. Ich dachte, du wärst es. Ich habe nicht einmal Schuhe an. Was, in Hels Namen, wollte dieser Harfner nur? Ich verstehe ihn nicht. Ich - « Sie brach plötzlich ab und starrte ihn an, als wäre er ein Gestaltwandler, den sie unversehens neben sich gefunden hatte. Sie drückte eine Hand auf ihren Mund und berührte mit der anderen sein Gesicht. »Morgon...«
    Er legte seine Hand auf ihre Stirn, blickte auf das Blut an seinen Fingern und stieß einen Laut der Überraschung aus. Eine Hälfte seines Gesichts brannte von der Schläfe bis zum Unterkiefer hinunter wie Feuer. Seine Schulter schmerzte; sein Kittel fiel auseinander, als er ihn berührte. Ein blutender, breiter Riß, wie von einem scharfen Pferdehuf geschlagen, pflanzte sich von seinem Gesicht über seine Schulter bis zur Mitte seiner Brust fort.
    Langsam richtete er sich auf und starrte auf die Blutflecken, die er auf dem Boden des Wagens, auf dem feinen Tuch des Händlers zurückgelassen hatte. Ein heftiges Zittern überkam ihn plötzlich und drückte sein Gesicht gegen seine Knie.
    »Ich bin mit offenen Augen

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