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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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Fluß tauchte vor ihnen auf; sie standen an seinem Ufer auf einer weichen, grasbewachsenen Lichtung, von hohem Farnkraut umgeben.
    Er gab Rendel frei, fiel auf Hände und Knie und trank. Die Stimme des Wassers kühlte das Brennen der Sonne, deren sengende Strahlen seinen Geist blendeten. Er blickte zu Rendel auf und wollte sprechen. Er konnte sie nicht sehen. Da streckte er sich wieder aus, das Gesicht nahe am Wasser, und schlief ein.
    Mitten in der Nacht erwachte er und sah Rendel neben sich sitzen. Im sanften Schein ihres Feuers wachte sie über ihn. Lange sahen sie einander an, ohne zu sprechen, wie in Erinnerungen versunken. Dann berührte Rendel sein Gesicht. Ihre Züge waren gespannt; in ihren Augen stand ein Ausdruck, den er nie zuvor gesehen hatte.
    Ein merkwürdiger Schmerz lag ihm beengend in der Kehle.
    »Verzeih mir«, flüsterte er. »Es war der letzte Ausweg.«
    »Es ist ja gut.« Sie prüfte den Verband auf seiner Brust; er sah, daß er aus Streifen ihres Hemdes war. »Ich habe dir Kräuter aufgelegt, wie die Schweinehirtin - ich meine Nun - sie verletzten Schweinen aufzulegen pflegte. Ich hoffe, sie tun auch bei dir ihre Wirkung.«
    Er nahm ihre Hände in die seinen und hielt sie fest.
    »Bitte. Sag es.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Niemand hat je zuvor meinen Geist beherrscht. Ich war so wütend auf dich, daß ich mich nur noch von dir befreien und nach Anuin zurückkehren wollte. Und dann - es gelang mir, mich zu befreien. Und ich bin bei dir geblieben, weil du - weil du um das Wesen der Macht weißt. Die Gestaltwandler, die mich ihre Verwandte nannten, besitzen dieses Wissen auch, aber dir vertraue ich.«
    Sie schwieg; er wartete. Er sah sie seltsam verwandelt im Feuerschein. Die wirre Masse ihres Haares war wie frischer Seetang, ihre Haut glatt schimmernd wie Perlmutt, der Ausdruck auf ihrem Gesicht ständig wechselnd wie das Spiel des Lichts auf dem Meer.
    Ganz plötzlich wandte sie ihr Gesicht von ihm ab.
    »Ich will nicht, daß du mich so ansiehst!«
    »Verzeih mir«, sagte er wieder. »Du hast so schön ausgesehen. Weißt du, was für eine Macht man besitzen muß, um die Fesseln eines Banns zu zerreißen, den ich gelegt habe?«
    »Ja. Die Macht eines Gestaltwandlers. Und die besitze ich.«
    Stumm sah er sie an. Ein feiner Schauder von Kälte durchrann ihn.
    »Und diese Macht haben sie.« Abrupt setzte er sich auf, bemerkte kaum das schmerzhafte Ziehen von seiner Schulter abwärts. »Warum wenden sie sie nicht an? Sie wenden sie niemals an. Sie hätten mich längst töten sollen. In Herun hätte der Gestaltwandler Corrig mich töten können, während ich schlief; statt dessen spielte er nur auf seiner Harfe. Er forderte mich heraus, ihn zu töten. In Isig - drei Gestaltwandler brachten es nicht fertig, einen Bauernfürsten aus Hed zu töten, der in seinem Leben nie ein Schwert in der Hand gehabt hatte! Was, in Hels Namen, sind sie? Was wollen sie von mir? Was will Ghisteslohm?«
    »Glaubst du, sie haben ihn getötet?«
    »Ich weiß es nicht. Er war wahrscheinlich gescheit genug zu fliehen. Es wundert mich, daß wir ihn nicht neben uns im Wagen fanden.«
    »Sie werden dich in Lungold suchen.«
    »Ich weiß.« Er strich sich mit der Hand über das Gesicht. »Ich weiß. Vielleicht gelingt es mir mit der Hilfe der Zauberer, sie von der Stadt fortzuschicken. Ich muß schnell hin. Ich muß - «
    »Ich weiß.« Sie holte einmal tief Atem und stieß müde die Luft wieder aus. »Morgon, lehre mich die Krähengestalt. Das ist wenigstens eine Maske der Könige von An. Und fliegen ist schneller als barfuß marschieren.«
    Er hob den Kopf. Dann streckte er sich aus und zog sie zu sich herunter, während er versuchte, all die Gedanken in Worte zu fassen, die sich in seinem Kopf drängten.
    »Ich werde lernen, auf der Harfe zu spielen«, sagte er schließlich und spürte ihr Lächeln an seiner Brust.
    Seine Gedanken verdichteten sich plötzlich zu einer einzigen Erinnerung an die stockenden Klänge einer Harfe in der Finsternis. Erst als er die Hand hob, um seine Augen zu berühren, merkte er, daß er wieder weinte. Rendel war still, hielt ihn nur zärtlich umfangen.
    Nach langer Zeit, als das Feuer weit heruntergebrannt war, sagte er: »Ich habe in dieser letzten Nacht nicht bei Thod gesessen, weil ich hoffte, ihn zu verstehen, sondern weil er mich dort hinzog, weil er mich dort haben wollte. Und er hielt mich nicht mit seinem Harfenspiel oder mit seinen Worten, sondern mit einer Kraft, die so

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