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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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nicht einmal fähig zu zwinkern, während sie dem näher kommenden Speer entgegenblickten. Morgons Gedanken flogen rascher als der Schatten des Speeres. Er sah, wie Lyras Gesicht zu einer Maske hilflosen Entsetzens erstarrte, als sie gewahr wurde, daß der Zauberer gebannt war, wehrlos gegen sie; ihrem todbringenden Wurf haftete keine Ehre an, er verlangte kein Geschick, ließ keine Möglichkeiten offen. Morgon wollte schreien, den Speer mit seiner Stimme knicken, um einen Traum von Wahrheit zu retten, der hinter den Augen eines Kindes, hinter den Augen eines Zauberers verborgen war. Statt dessen flog seine Hand hoch, zog die Harfe auf seinem Rücken aus der Luft. Er spielte sie, noch während er sie formte: die letzte tiefe Saite, deren Schwingungen selbst ein eisernes Schwert unter Klirren erzittern ließen und jede andere Waffe draußen und drinnen im Saal zerschmetterten.
    Stille senkte sich wie alter Staub über den Saal. Die Krieger aus Ymris starrten ungläubig auf das zerbrochene Metall in ihren Händen. Lyra blickte noch immer zu jener Stelle in der Luft, wo der Speer, keine zwei Schritte von Ghisteslohm entfernt, zersplittert war. Langsam drehte sie sich um. Es war die einzige Bewegung im Saal. Ihr Blick traf den Morgons; sie schien plötzlich so ermattet, daß sie kaum noch stehen konnte. Die Wachen, die noch am Leben waren, starrten Morgon an. Ihre Gesichter waren geisterhaft bleich. Die Gestaltwandler rührten sich nicht. Ihre Körper schienen plötzlich zu fließen, so als wollten sie im nächsten Moment mit dem Nichts verschmelzen. Selbst die Frau, die er als Eriel kannte, stand reglos, während sie ihn beobachtete und wartete.
    In diesem Augenblick wurde ihm nur einen Herzschlag lang offenbar, welche furchtbare, bedrohliche Kraft sie in ihm sahen, die irgendwo in dunstverhangenen Regionen jenseits seiner
    Erkenntnis lag. Die Tiefe seiner eigenen Unwissenheit entsetzte ihn. Hilflos drehte er die Harfe in den Händen, während er die Gestaltwandler gefangenhielt und noch keine Ahnung hatte, was er mit ihnen tun sollte. Bei dieser Bewegung der Unsicherheit wandelte sich der Ausdruck in Eriels Augen in schlichtes Staunen.
    Rasch eilte sie vorwärts, um ihm die Harfe abzunehmen, um ihn mit seinem eigenen Schwert zu töten, um seinen Geist zu verdunkeln und mit dem ewigen Rauschen des Meeres zu füllen wie den Geist Ghisteslohms - er wußte es nicht. Er packte das Schwert und wich zurück. Eine Hand berührte seine Schulter, hielt ihn auf.
    Rendel stand neben ihm. Ihr Gesicht war rein und weiß inmitten der Wolke ihres feurigen Haares, als wäre es wie die Gesichter der Erdherren aus Stein gemeißelt. Sie hielt ihn mit leichter Hand, doch sie sah ihn nicht.
    »Ihr werdet ihn nicht anrühren«, sagte sie leise zu Eriel.
    Die dunklen Augen blickten neugierig in ihr Gesicht.
    »Ylons Tochter. Habt Ihr Eure Wahl getroffen?«
    Eriel setzte sich wieder in Bewegung, und Morgon spürte, wie die ungeheure, gefesselte Kraft in Rendels Geist sich aus ihren Banden befreite. Er sah, wie die Gestalt, die Eriel angenommen hatte, von ihr abzufallen begann und etwas unglaublich Altes, Wildes enthüllte wie das dunkle Herz der Erde oder des Feuers. Mit aschfahlem Gesicht stand er da, im lähmenden Bann tiefen Staunens, und wußte, daß er unfähig war, sich zu rühren, selbst wenn das, was Rendel in ihre Gestalt zwang, sein eigener Tod war.
    Dann donnerte ein Schrei durch seinen Geist, riß ihn aus seiner Faszination. Benommen starrte er hinüber zur anderen Seite der Rotunde. Der alte Zauberer, den er am Stadttor gesehen hatte, fing seinen Blick auf und hielt ihn mit seinen eigenen seltsamen, lichtlodernden Augen fest.
    Wieder durchdrang ihn der stumme Schrei: >Flieh!< Er rührte sich nicht. Er würde Rendel nicht verlassen, aber er konnte ihr nicht helfen; er fühlte sich unfähig, auch nur zu denken. Dann bemächtigte sich eine fremde Kraft seines erschöpften Geistes und entriß ihm seine eigene Gestalt. Er schrie, und es war das wütende, schrille Protestgeschrei eines Habichts. Die fremde Kraft hielt ihn, schleuderte ihn wie einen finsteren, ungebändigten Wind aus der brennenden Schule der Zauberer hinaus, hinaus aus dem Festungsring der Stadt in die weite, reglose Einöde der Nacht.

Kap. 9
     
    Die Gestaltwandler verfolgten ihn durch das Hinterland. In der ersten Nacht schoß er in Habichtsgestalt über den Himmel, während die lodernde Stadt hinter ihm in der Dunkelheit kleiner und kleiner wurde. Instinktiv flog er

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