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Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Erdzauber 03 - Harfner im Wind

Titel: Erdzauber 03 - Harfner im Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia A. McKillip
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nordwärts, fort von den Königreichen, richtete seinen Kurs nach dem Geruch von Wasser unter ihm. Als der Morgen graute, fühlte er sich sicher. Er glitt abwärts, dem Seeufer entgegen. Vögel, die in der sanften Morgenbrise auf dem Wasser dahintrieben, flatterten auf, als er herabschoß. Er fühlte, wie die Federn ihres Geistes sich wie Netzwerk um ihn legten. Er brach durch das Netz hindurch und stieg wieder in die Lüfte hinauf. Sie hetzten ihn über den See in die Wälder, wo er unversehens wieder in die Tiefe tauchte, wie ein dunkler Stein durch Luft und Licht brach, bis er die Erde berührte und verschwand. Meilen entfernt im Norden tauchte er wieder auf, kniete am Wasserlauf zwischen zwei Seen, kraftlos vor Erschöpfung. Am Ufer neben dem Wasser sank er zusammen. Nach einer Weile regte er sich wieder, senkte sein Gesicht in den Strom und trank.
    Als der Abend hereinbrach, spürten sie ihn wieder auf. Er hatte Fische gefangen und zum erstenmal seit zwei Tagen etwas gegessen. Das stille Licht des Nachmittags, die monotone Stimme des Flusses hatten ihn in Schlaf gewiegt. Er fuhr mit einem Ruck aus dem Schlaf hoch, als ein Eichhörnchen laut zu zetern begann, und sah hoch oben am blaugrauen Himmel eine große Schar kreisender Vögel. Augenblicklich ließ er sich ins Wasser fallen und wandelte die Gestalt. Die Strömung schleuderte ihn erbarmungslos von einem Strudel in den anderen, riß ihn flußabwärts in stille Tümpel, wo hungrige Wasservögel sich auf ihn stürzen wollten. Er kämpfte sich wieder flußaufwärts, sah nichts als sich langsam verdunkelnde Wassermassen, die ihn von einer Seite auf die andere warfen und jedesmal, wenn er auftauchte, sein Hirn mit ihrem Tosen erfüllten. Schließlich glitt er in stilleres Wasser. Es wurde tiefer, während er schwamm. Er tauchte zum Grund hinunter, um zu rasten, doch das Wasser wurde finster und still, so tief, daß er emporsteigen mußte, um Luft zu holen, ehe er den Grund überhaupt gefunden hatte. Er schwamm langsam unter der Oberfläche dahin, beobachtete die Nachtfalter, die im Mondlicht umherschwirrten. Er ließ sich treiben, bis der Grund des Sees langsam anstieg und er nahe beim Ufer Schlingpflanzen fand, in denen er sich versteckte. Bis zum Morgen rührte er sich nicht mehr.
    Ein winziger Fisch sprang neben ihm ins Sonnenlicht hinauf und schnappte nach einem Insekt. Wasserringe breiteten sich über ihm aus. Er stieg aus den Schlingpflanzen. Das Wasser um ihn herum funkelte im Glanz der Morgensonne, als er sich verwandelte. Er watete aus dem Wasser und blieb stehen, in die Stille hineinzulauschen.
    Sie schien lautlos aus Regionen jenseits der bekannten Welt hereinzuströmen. Der sanfte Morgenwind schien fremd, sprach eine Sprache, die er nie gelernt hatte. Er erinnerte sich der wilden Stimmen von der Ebene der Winde, die mit tausend Namen und Erinnerungen über Ymris geklungen hatten. Doch die Stimmen des Hinterlands schienen noch älter zu sein, die Stimmen eines uralten Geschlechts von Winden, die ihm nichts mitteilten außer ihrer Namenlosigkeit. Lange stand er da und atmete ihre Einsamkeit, bis er spürte, daß sie ihn zu etwas zu formen begannen, das so namenlos war wie sie selbst.
    Er flüsterte Rendels Namen. Blinden Auges wandte er sich um, während sich seine Gedanken zu einem harten Knoten der Angst zusammenballten. Er fragte sich, ob sie noch lebte, ob überhaupt noch jemand in Lungold am Leben war. Er überlegte, ob er in die Stadt zurückkehren sollte. In wilder Ohnmacht schlug er mit den Fäusten gegen einen Baumstamm, während er an sie dachte. Der Baum erzitterte unter seiner quälenden Ungewißheit; eine Krähe flatterte krächzend aus seinen Ästen auf. Er hob den Kopf, stand reglos wie ein witterndes Tier. Die beschaulich lächelnden Wasser des Sees begannen zu sieden und zu brodeln, hievten Gestalten aus ihren Tiefen. Fragend pulste das Blut durch seine Adern. Er öffnete seinen Geist dem Geist des Hinterlandes. Mehrere Meilen entfernt gesellte er sich zu einer großen Herde von Elchen, die langsam in nördlicher Richtung zum Thul hinzogen.
    Er blieb bei ihnen. Er beschloß, sie am Thul zu verlassen und dem Fluß in östlicher Richtung zu folgen, bis er die Gestaltwandler abgeschüttelt hatte, dann nach Lungold zurückzukehren. Zwei Tage später, als die langsam dahinziehende Herde sich dem Fluß näherte, trennte er sich von ihr, wanderte ostwärts am Flußufer entlang. Doch ein Teil der Herde folgte ihm. Wieder wechselte er die Gestalt

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