Erdzauber 03 - Harfner im Wind
unruhigen Atem von Gezeiten. »Sternenträger, Ihr werdet nichts tun. Ihr werdet nichts tun als warten.«
»Warten«, flüsterte er. »Worauf? Auf den Tod?« Er brach ab, als das Wort unstet zwischen den beiden Bedeutungen hinund herschoß, die es in seinem Geist hatte. »Diesmal gibt es kein Harfenspiel, um mich am Leben zu erhalten.« Er hob den Kopf, und wieder spähten seine Augen angestrengt in die Dunkelheit. »Oder erwartet Ihr den Erhabenen? Da könnt Ihr warten, bis ich hier zu Stein werde wie die Kinder der Erdherren, denn der Erhabene hat kein Interesse an mir.«
»Das bezweifle ich.«
»Ihr! Ihr existiert ja kaum noch. Ihr besitzt nicht mehr die Fähigkeit zu zweifeln. Selbst die Geister der Toten von An haben mehr Willenskraft als Ihr. Ich kann nicht einmal sagen, ob Ihr schon tot seid oder vielleicht tief in Eurem Inneren noch lebendig, so wie die Zauberer sich irgendwie unter der Gewalt Eurer Macht am Leben hielten.« Seine Stimme wurde ein wenig leiser. »Ich könnte für Euch kämpfen. Selbst das würde ich für die Freiheit tun.«
Die Hand ließ seinen Arm los. Er drang in den fremden, vom Rauschen des Meeres erfüllten Geist ein, den Namen zu finden, den er in sich barg. Der Name entzog sich ihm. Er kämpfte sich durch Brandung und wogende Fluten, bis der Geist des Zauberers ihn an die Gestade seines eigenen Bewußtseins zurückwarf. Er schnappte nach Luft, als hätte er vergessen zu atmen. Schließlich hörte er die Stimme des Zauberers, die sich ins Dunkle zurückzog.
»Für Euch hat die Freiheit keinen Namen.«
Danach schlief er ein Weilchen, in dem Bemühen, an Kraft zu gewinnen. Er träumte von Wasser. Sein wütender Durst weckte ihn; er tastete nach dem Wasser, versuchte nochmals, es zu trinken. Er spie es aus, ehe er es hinunterschluckte, blieb von Husten geschüttelt knien. Er glitt wiederum in fiebrigen Schlaf und träumte nochmals von Wasser. Er spürte, wie er in das Wasser hineinfiel, kühle Dunkelheit um sich zog, tiefer und tiefer in die Stille des Wassers eindrang. Er atmete im Wasser und wachte auf, von Panik gepackt, dem Ertrinken nahe. Hände zogen ihn aus dem See, ließen ihn würgend am Ufer zurück.
Das Wasser machte ihn ein wenig klarer. Er lag ruhig da und starrte in die Dunkelheit, während er überlegte, ob sie, wenn er seinen Geist öffnete, ihn ertränken würde wie Wasser. Langsam ließ er sie in seine Gedanken hineinsickern, bis die Erinnerungen an eine einzige Nacht, die ein langes Jahr gedauert hatte, ihn überwältigten und er, wieder kopflos vor Angst, die Luft mit Feuer entzündete. Flüchtig sah er Ghisteslohms Gesicht; dann schlug die Hand des Zauberers nach seiner Flamme, und sie zerbrach in tausend Stücke wie Glas.
Er flüsterte: »Für jeden türenlosen Turm gibt es ein Rätsel, das die Tür öffnet. Das habt Ihr mich gelehrt.«
»Hier gibt es eine Tür und ein Rätsel.«
»Den Tod. Das glaubt Ihr doch selbst nicht. Sonst hättet Ihr mich ertrinken lassen. Wenn es dem Erhabenen gleichgültig ist, ob ich lebe oder sterbe, was wollt ihr dann tun?«
»Warten.«
»Warten.« Rastlos flackerte sein Geist, suchte fieberhaft nach irgendeiner Antwort. »Die Gestaltwandler warten seit Jahrtausenden. Ihr habt ihnen in jenem Augenblick, bevor sie Euch bannten, einen Namen gegeben. Was habt Ihr gesehen? Welche Kraft war stark genug, die Erdherren zu überwinden? Menschen, die die Kraft und das Gesetz ihres Daseins aus jedem lebenden Ding ziehen, aus der Erde, aus dem Feuer, dem Wasser und dem Wind. Der Erhabene wurde von den Gestaltwandlern aus dem Erlenstern-Berg vertrieben. Und dann kamt Ihr und fandet einen leeren Thron, dort, wo die Legende den Erhabenen wissen wollte. Da wurdet Ihr der Erhabene, nahmt die Macht in Eure Hände, während Ihr auf den wartetet, den die steinernen Kinder nur als den Sternenträger kannten. Ihr bewachtet die Orte des Wissens und der Macht, indem Ihr die Zauberer in Lungold versammeltet und in Caithnard lehrtet. Und eines Tages erschien der Sohn eines Fürsten von Hed in Caithnard, den Gestank von Kuhmist an den Stiefeln und eine Frage in den Augen. Aber das war nicht genug. Ihr wartet immer noch. Die Gestaltwandler warten immer noch. Auf den Erhabenen. Ihr gebraucht mich als Köder, aber er hätte mich lange zuvor hier finden können, wenn ihm etwas daran gelegen hätte.«
»Er wird kommen.«
»Das bezweifle ich. Er erlaubte Euch, das Reich jahrhundertelang zu täuschen. Ihm lag nichts am Wohl von Menschen oder Zauberern im
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