Erdzauber 03 - Harfner im Wind
Reich. Er ließ es zu, daß Ihr mir das Landrecht raubtet, wofür ich Euch hätte töten sollen. Ihm liegt nichts an mir.«
Wieder schwieg er, während sich seine Augen in das ausdruckslose Gesicht der Finsternis bohrten. Stumm lauschte er dem Schweigen, das sich in jedem Tropfen flüssigen Gesteins sammelte und erstarrte.
»Was«, sagte er in das Schweigen hinein, »kann solche Macht besitzen, daß es die Städte der Erdherren zerstörte? Daß es den Erhabenen selbst zwang, sich in die Verborgenheit zurückzuziehen? Was ist so mächtig wie ein Erdherr?«
Er schwieg wieder. Dann regte sich, wie ein Feuerfunke, der sich selbst zu Asche verzehrt, eine Antwort in den Tiefen seines Geistes.
Er setzte sich auf. Die Luft schien ihm plötzlich dünn, von Feuer durchwirkt; es fiel ihm schwer zu atmen.
»Die Gestaltwandler. «
Schmerzende Trockenheit lag wieder in seiner Kehle. Er hob die Hände zu den Augen und sammelte Dunkelheit, um in sie hineinzublicken. Stimmen drangen flüsternd aus seiner Erinnerung, aus den Steinen, die ihn umgaben. >Der Krieg ist nicht beendet, nur zur erneuten Sammlung der Kräfte unterbrochen. Jene aus dem Meer. Edolen. See. Sie vernichteten uns, so daß wir nicht länger auf der Erde leben konnten. Wir konnten sie nicht beherrschen. < Die Stimme der Kinder, der Toten der Erdherren. Schwer sanken seine Hände auf den Steinboden, noch immer drängte die Dunkelheit gegen seine Augen. Er sah, wie das Kind sich von dem Blatt abwandte, das es in seinem Traum berührt hatte, wie es angespannt, wartend über eine Ebene hinwegblickte.
»Sie konnten ein Blatt, einen Berg, ein Samenkorn berühren und es erkennen, eins mit ihm werden. Das ist es, was Rendel gesehen hat, das ist die Kraft in ihnen, die sie liebt. Und doch haben sie einander getötet, haben ihre Kinder auf dem Grunde eines Berges begraben, wo sie sterben mußten. Sie sprachen alle Sprachen der Erde, kannten alle Gesetze, die ihr Wesen und Bewegungen bestimmte. Was geschah ihnen? Gerieten sie blindlings in ein Wesen hinein, das kein anderes Gesetz kannte als das der Macht?« Seine Stimme entfernte sich flüsternd von ihm, wie in einem Traum. »Was war das für ein Wesen?«
Er war wieder still. Ihn fröstelte vor Kälte, und doch schwitzte er. Der Geruch des Wassers zerrte erbarmungslos an ihm. Wieder streckte er die Hände danach aus, von Durst gequält. Doch seine Hände hielten inne, ehe sie den Spiegel des Sees berührten. Rendels Gesicht, traumhaft in seiner Schönheit, sah ihn aus dem stillen Wasser zwischen seinen Händen an. Ihr langes Haar umgab ihr Gesicht wie Feuer strahlen. Er vergaß seinen Durst. Lang kniete er reglos da und blickte in das Gesicht hinunter, nicht wissend, ob es echt war oder ob er es aus Sehnsucht geformt hatte. Dann schlug eine Hand in das Antlitz hinein, zertrümmerte das Bildnis, und schwankende Kreise kräuselten den Wasserspiegel bis hinaus zum Rande des Sees.
Eine mörderische, unkontrollierbare Wut riß Morgon auf die Beine. Er wollte Ghisteslohm mit bloßen Händen umbringen, doch er konnte den Zauberer nicht einmal sehen. Kraftstöße schleuderten ihn wieder und wieder zurück. Schmerz fühlte er kaum; Gestalten drehten sich schneller als Worte in seinem Geist. Er verwarf sie, während er nach dem einen Wesen suchte, das machtvoll genug war, seine Wut in sich aufzunehmen. Er spürte, wie sein Körper in Gestaltlosigkeit zerfiel; ein Klang erfüllte seinen Geist, ein tiefer, harter, wilder Klang, die Stimmen aus den fernsten Bereichen des Hinterlands. Doch sie waren nicht mehr leer und namenlos. Etwas zuckte durch ihn hindurch, schleuderte einen Lichtstrahl, der knisternd durch die Luft fuhr. Er spürte die Fülle eines fremden Geistes in dem seinen, doch seine Gedanken hatten keine Sprache, summten nur in einem Ton wie von einer vibrierenden, ungestimmten Harfensaite. Er spürte, wie sich die Wut in ihm ausdehnte, die riesige Steinkammer erfüllte. Er schleuderte den Zauberer durch die Höhle, drückte ihn wie ein vom Wind getriebenes Blatt gegen die Steine.
Dann erkannte er, welche Gestalt er angenommen hatte.
Ruckartig kehrte er in seine eigene Gestalt zurück, und die ungebändigte Energie in ihm war plötzlich erloschen. Zitternd, halb schluchzend vor Furcht und Staunen kniete er auf den Steinen. Er hörte, wie der Zauberer stolpernd von der Wand wegtorkelte. Er atmete stockend, so als wären seine Rippen gebrochen. Als Morgon durch die riesige Höhle eilte, hörte er rundherum Stimmen, die
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