Erdzauber 03 - Harfner im Wind
all die verschiedenen, geheimnisvollen Sprachen der Erde sprachen.
Er hörte das Prasseln des Feuers, das Rascheln von Blättern, das Heulen eines Wolfes im einsamen, mondbeschienenen Hinterland, das trockene Knistern von Maisblättern. Aus weiter Ferne dann hörte er ein Geräusch, als hätte der Berg selbst geseufzt. Er spürte, wie die Steine unter ihm leise schwankten. Ein Seevogel kreischte schrill. Jemand mit einer Hand aus Baumrinde und Licht schleuderte Morgon auf den Rücken.
Voller Bitterkeit flüsterte er, als er fühlte, wie das gestirnte Schwert ihm von der Seite gerissen wurde: »Ein Rätsel und eine Tür«.
Er wartete im Auge der Finsternis auf den Hieb des Schwertes, doch nichts berührte ihn. Er war plötzlich atemlos in ihrer Spannung des Wartens gefangen. Da riß ihn Rendels Stimme, zu einem Großen Schrei anschwellend, der die Steine in der Decke sprengte, aus seiner atemlosen Spannung.
»Morgon!«
Das Schwert sang wild im Nachhall des Schreies. Morgon hörte, wie es gegen die Steine schlug. Unwillkürlich, voller Entsetzen schrie er Rendels Namen, und wieder schwankte der Boden unter ihm, trieb ihn zum See hin. Das Schwert rutschte hinter ihm her über die Steine. Es sang noch immer, in einem seltsam hohen Ton, der verklang, als Morgon es packte und in die Scheide steckte. Ein Geräusch lag zitternd in der Luft, als wäre ein Kristall in einer der Mauern geborsten. Der Kristall summte, während er brach, summte einen tiefen, fein gestimmten Ton, der sein eigenes Herz sprengte. Andere Kristalle begannen zu summen; der Boden des Berges grollte. Die riesigen Quader des Deckengewölbes schoben sich knirschend zusammen. Staub und Geröll stürzten zischend abwärts; Kristalle zersprangen klirrend auf dem Boden. Die Stimmen von Fledermäusen, Delphinen, Bienen tönten durch die Felskammer. Spannungskräfte fuhren zuckend durch die Luft, Morgon hörte Rendel schreien. Mit einem schluchzend hervorgestoßenen Fluch sprang er auf. Der Boden unter seinen Füßen dröhnte und begann krachend zu donnern. Die eine Seite hob sich und stürzte schwergewichtig auf die andere herab. Er wurde in den See geschleudert. Der ganze See, ein riesiges, rundes Becken, aus massivem Stein gehauen, begann sich zu neigen.
Sekundenlang war er unter einer Flutwelle schwarzen Wassers begraben. Als er wieder auftauchte, hörte er ein Geräusch, als hätte der Berg selbst, an seinen Wurzeln gespalten, schmerzlich aufgestöhnt.
Ein Windstoß fuhr in die Felskammer hinein. Er drückte Morgon die Augen zu und fegte seinen eigenen Schrei zurück in seine Kehle. Er wühlte den See zu einer schwarz wirbelnden Spirale auf, die Morgon in sich einsog. Ehe das Wasser über ihm zusammenschlug, hörte er etwas, das entweder das Singen seines Blutes in seinen eigenen Ohren war oder ein Ton im Herzen der wilden Stimme des Windes.
Der See spie ihn wieder aus. Das Becken hatte sich noch weiter zur Seite geneigt, goß ihn mit dem Wasser aus, das der Felswand auf der anderen Seite zuströmte. Er holte tief Atem, tauchte unter, versuchte gegen die Flutwelle anzuschwimmen. Doch die Wogen rissen ihn zurück, schleuderten ihn dem Stein entgegen. Als er die unerbittliche Mauer vor sich auftauchen sah, spaltete sie sich plötzlich. Das Wasser drängte wirbelnd durch den Riß und zog ihn mit sich. Durch das Tosen hindurch hörte er die letzten donnernden Zuckungen des Berges, der sein eigenes Herz begrub.
Das Seewasser trieb ihn durch den zackigen Spalt, goß ihn über eine Felslippe in einen brodelnden Strom. Er versuchte, sich herauszuziehen, haschte nach vorspringenden Felsnasen, wollte sich an edelsteinblitzende Wände klammern, doch der Wind war noch immer an seiner Seite, stieß ihn ins Wasser zurück, trieb das Wasser vor sich her. Der Strom flutete in einen anderen; ein Strudel riß ihn unter einen Felsvorsprung hindurch in einen anderen Fluß. Der Fluß trug ihn schließlich aus dem Berg heraus, jagte ihn schäumende Wasserfälle hinunter und warf ihn schließlich, die Lungen voll bitteren Wassers, in die Öse.
Da erst gelang es ihm, sich ans Ufer zu ziehen. Ermattet blieb er auf dem sonnenwarmen Boden liegen. Die wilden Winde peitschten noch immer über ihn hinweg; die mächtigen Fichten neigten sich ächzend unter ihrem Druck. Prustend spie er das bittere Wasser aus, das er geschluckt hatte. Als er nach einer Weile näher an den Fluß kroch, um das süße Wasser der Öse zu trinken, hätte der Wind ihn beinahe wieder
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