Erdzauber 03 - Harfner im Wind
zitterte. Sie streifte ihre Handschuhe ab und spann sein im Wind flackern-des Feuer mit ihren Händen zu stillen, hellen Flammen. Schlagartig wurde ihm bewußt, wie lange es her war, seit sie miteinander gesprochen hatten.
»Lungold«, flüsterte er.
Das Wort schien ohne Sinn in der Stille der Einöde. Doch sie hatte die belebte Welt verlassen und sich aufgemacht, ihn hier draußen zu suchen. Er streckte seinen Arm durch das Feuer hindurch und legte seine Hand auf ihre Wange. Stumm sah sie ihn an, als er sich wieder zurücklehnte. Sie zog die Knie an und kuschelte sich zum Schutz gegen den Wind in ihren Pelz.
»Ich habe dein Harfenspiel gehört«, sagte sie.
Lautlos berührten seine Finger die Saiten.
»Ich habe dir versprochen, daß ich es lernen würde.« Seine Stimme war rauh und rostig. »Wo warst du?« fügte er neugierig hinzu. »Du bist mir durch das Hinterland gefolgt; du warst im Erlenstern-Berg bei mir. Dann bist du verschwunden.«
Sie hob wieder den Blick zu ihm auf.
»Ich bin nicht verschwunden. Du bist verschwunden.« Ihre Stimme zitterte plötzlich. »Vom Gesicht des Reiches verschwunden. Die Zauberer haben dich überall gesucht. Und auch die Gestalt - , die Gestaltwandler. Und ich auch. Ich glaubte schon, du wärst tot. Aber hier bist du, allein mit deiner Harfe in diesem Wind, der töten kann, und dir ist nicht einmal kalt.«
Er schwieg. Die Harfe, die mit den Winden gesungen hatte, fühlte sich plötzlich kalt an unter seinen Händen. Er stellte sie neben sich auf den Boden.
»Wie hast du mich gefunden?«
»Ich habe gesucht. In jeder Gestalt, die ich mir denken konnte. Ich dachte, du wärst vielleicht bei den Vestas. Deshalb reiste ich zu Har und bat ihn, mich die Vesta-Gestalt zu lehren. Er fing auch an, aber als er meinen Geist berührte, hielt er inne und sagte mir, er glaubte nicht, daß er mich das lehren müßte. Da mußte ich ihm das natürlich erklären. Und dann mußte ich ihm alles erzählen, was im Erlenstern-Berg geschehen war. Er sagte nichts, nur daß du gefunden werden mußt. Schließlich führte er mich über den Grimberg zu den Vesta-Herden. Und während ich mit ihnen zog, hörte ich von weit her, von fernen Winden getragen dein Harfenspiel. Morgon, wenn ich dich finden kann, dann können es auch andere. Bist du hier herausgezogen, um das Harfenspiel zu erlernen? Oder bist du einfach geflohen?«
»Ich bin einfach geflohen.«
»Und - hast du - hast du vor, zurückzukehren?«
»Wozu?«
Sie blieb stumm. Das Feuer vor ihr flackerte unstet, verwob sich mit dem Wind. Sie machte es wieder still, während ihre Augen unverwandt auf sein Gesicht gerichtet waren. Mit einer heftigen Bewegung sprang sie auf und ging zu ihm und umschlang ihn mit beiden Armen, ihr Gesicht an den zottigen Pelz an seiner Schulter gedrückt.
»Ich könnte mich wohl daran gewöhnen, in der Einöde zu leben«, flüsterte sie. »Es ist so kalt hier, und nichts wächst hier - aber die Winde und dein Harfenspiel sind wunderbar.«
Er senkte den Kopf. Er legte seine Arme um sie und zog ihre Kapuze ein Stück nach hinten, so daß er ihre Wange an der seinen fühlen konnte. Etwas berührte sein Herz, schmerzhafte Kälte, die er erst jetzt endlich spürte, oder vielleicht ein schmerzhaftes Erwachen von Wärme.
»Du hörtest die Stimmen der Gestaltwandler im Erlenstern- Berg«, sagte er stockend. »Du weißt, was sie sind. Sie kennen alle Sprachen. Sie sind Erdherren, die nach Jahrtausenden noch immer mit dem Erhabenen im Krieg liegen. Und ich bin der Köder für ihre Fallen. Das ist der Grund, weshalb sie mich niemals töten. Sie wollen ihn haben. Wenn sie ihn zerstören, dann werden sie das Reich zerstören. Wenn sie mich nicht finden, dann werden sie vielleicht auch ihn nicht finden.«
Sie wollte etwas sagen, doch er ließ sie nicht zu Wort kommen. Seine Stimme, die langsam wieder in Gang kam, klang jetzt härter.
»Du weißt, was ich in dem Berg getan habe. Ich war so erfüllt von Zorn, daß ich hätte morden können, und ich verwandelte mich in Wind, um es zu tun. Einer, der solche Kräfte besitzt, hat nirgends im Reich einen Platz. Was soll ich mit diesen Kräften anfangen? Ich bin der Sternenträger. Ich bin das Versprechen, das von den Toten gegeben wurde, einen Krieg zu führen, der älter ist als die Namen der Königreiche. Mir wurden bei meiner Geburt Kräfte mitgegeben, die mich in meiner eigenen Welt namenlos machen. Und mir wurde auch das ganze schreckliche Verlangen mitgegeben, diese Kräfte zu
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