Erdzauber 03 - Harfner im Wind
da rührte sich Morgon. Har sah ihn an, und seine Augen waren von einem blitzenden Eisblau wie die Winde, die über der Einöde durch die Luft fegten.
»Ihr!« sagte er. »Heimlich in meinen Geist einzudringen. Hättet Ihr nicht bis zum Morgen damit warten können?«
»Har.« flüsterte Morgon. Er schüttelte den Kopf, wußte nicht, wo er anfangen sollte. Dann trat er vor, mit gesenktem Kopf in die ausgebreiteten Arme des Wolfskönigs. »Wie könnt Ihr mir so blind vertrauen?« fragte er.
»Gelegentlich kommt es vor«, bekannte Har, »daß ich nicht vernünftig bin.« Er ließ Morgon frei und hielt ihn ein Stück von sich ab, um ihn zu mustern. »Wo hat Rendel Euch gefunden?«
»In der Einöde.«
»Ja, Ihr seht aus wie ein Mann, der diesen tödlichen Winden gelauscht hat. Kommt mit nach Yrye. Eine Vesta kommt schneller vorwärts als eine Krähe, und hier, so tief im Herzen von Osterland, werden ein paar Vesta, die miteinander laufen, nicht auffallen.« Er legte seine Hand leicht auf die Schulter des Zauberers. »Reitet auf meinem Rücken. Oder auf Morgons.«
»Nein«, sagte Morgon heftig, ohne zu überlegen.
Hars Augen wanderten wieder zu ihm hin.
Ehe der König sprechen konnte, erklärte Yrth: »Ich werde in Krähengestalt reiten.« Sein Stimme war müde. »Es hat eine Zeit gegeben, da hätte ich es aus reiner Liebe zur Geschwindigkeit gewagt, blind zu laufen, aber das ist vorbei. Ich werde wohl alt!«
Er wandelte seine Gestalt und flatterte vom Boden zu Hars anderer Schulter hinauf.
Der Wolfskönig stand sinnend da, die Stirn ein wenig gerunzelt, so als lauschte er auf etwas hinter Morgons Schweigen. Doch er sagte nur: »Kommt, machen wir, daß wir aus dem Regen herauskommen.«
Sie liefen den ganzen Tag hindurch bis zum Einbruch der Dämmerung; drei Vesta, die nordwärts flogen, dem Winter entgegen, die eine mit einer Krähe im Ring ihrer Hörner. Bei
Einbruch der Nacht erreichten sie Yrye. Als sie keuchend im Hof zum Stehen kamen, öffneten sich die schweren, goldbeschlagenen Eichentüren. Aia erschien, begleitet von Wölfen. Hinter ihr tauchte Nun auf und lächelte ihnen durch eine Rauchwolke entgegen.
Nun umarmte Rendel erst in Vesta-Gestalt und dann noch mal in der eigenen. Aia, der das glatte, elfenbeinweiße Haar offen den Rücken herabhing, musterte Morgon ein wenig entgeistert, dann küßte sie sehr sanft seine Wange. Sie tätschelte Har und Yrth die Schulter und sagte mit ihrer ruhigen, klaren Stimme: »Ich habe alle forgeschickt. Nun sagte mir, wer kommt.«
»Ich hab’ es ihr mitgeteilt«, bemerkte Yrth, noch ehe Har zu fragen brauchte.
Der König lächelte. Sie traten in den leeren Saal. Das Feuer knisterte und prasselte im langen Kamin. Platten mit dampfenden Speisen, heißem Brot, Messingkrüge mit würzigem Wein standen auf einer Tafel vor der Feuerstelle bereit. Sie aßen hastig, mit großem Appetit, kaum daß sie sich gesetzt hatten. Als dann der erste Hunger gestillt war, ließen sie sich mit ihren Weinbechern am Feuer nieder und begannen zu sprechen.
Morgon hockte schläfrig auf einer Bank, den Arm um Rendels Schulter.
»So«, sagte Har zu ihm, »Ihr seid also nach Osterland gekommen, mein Landrecht zu erlernen. Ich will einen Handel mit Euch machen.«
Das weckte ihn. Einen Moment lang betrachtete er den König, dann sagte er schlicht: »Nein. Ihr könnt verlangen, was Ihr wollt, ich werde es Euch geben.«
»Das«, meinte Har freundlich, »scheint mir eine gerechte Gegenleistung für das Landrecht. Ich will Euch gestatten, frei und ungebunden durch meinen Geist zu wandern, wenn ich frei und ungebunden durch den Euren wandern darf.« Eine leichte Kopfbewegung Yrths machte ihn aufmerksam. »Ihr habt Einwendungen?«
»Nur, daß wir sehr wenig Zeit haben«, erwiderte Yrth.
Morgon sah ihn an.
»Ratet Ihr mir, das Wissen aus der Erde selbst zu ziehen? Das würde Wochen dauern.«
»Nein.«
»Dann also ratet Ihr mir, es mir gar nicht zu nehmen?«
Der Zauberer seufzte. »Nein.«
»Ja, aber was ratet Ihr mir denn dann?«
Rendel blickte auf bei dem leicht gereizten Unterton in seiner Stimme. Har saß noch immer in seinem mächtigen, geschnitzten Stuhl; der Wolf zu seinen Knien öffnete plötzlich die Augen, um Morgon anzufunkeln.
»Wollt Ihr etwa in meinem Saal einen Streit mit Yrth vom Zaun brechen?« fragte Har verblüfft.
Der Zauberer schüttelte den Kopf.
»Es ist mein Fehler«, erklärte er. »Ich halte Morgon in einem geistigen Bann, dessen er nicht gewahr ist. Ich
Weitere Kostenlose Bücher