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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Konnte er sich überhaupt richtig hineinwerfen in ein Gefühl? Niemals außer in jener ersten Nacht hatte er sie dergleichen spüren lassen.
    Johannas Leben in Paris lief ruhig, gleichmäßig, angenehm geregelt. Sie aß leicht, gut, sie schlief gut, war müde des Abends, frisch des Morgens. Trotzdem oftmals war ihr, als sei sie verpuppt, als sei dies vor dem Leben, Schlafleben.
    Sie hatte ihr anspruchsloses Tennisspiel wieder aufgenommen; vielleicht, in dieser flauen Zeit des Wartens, waren das ihre besten Stunden. Das Tennisspiel, wie jene Zeit es liebte, erforderte Geschwindigkeit, Ausdauer, Ruhe, rasches Erfassen der Situation. Johanna hatte einen gut durchgebildeten Körper, auch war sie zäh und ohne Hast schnell; doch ihre Auffassung war nicht rasch genug, sie wußte, daß sie niemals Meisterschaft erreichen konnte, und wollte es auch nicht. Es genügte, seinen Körper zu spüren, seine Kraft, seine Grenzen. Nach dem Training war sie munter, lustig, zu Dummheiten und kleinen Streichen aufgekratzt, wie in der guten Zeit vor dem Prozeß Krüger.
    Herr Hessreiter suchte sehr ihre Gegenwart in diesen Stunden. Immer von neuem, wenn er das große Mädchen sah, war er stolz, daß er noch soviel Lebendigkeit, soviel Glücksbewußtsein aufbrachte. Katharina, sagte er sich, war eine bequemere Freundin gewesen, er rechnete es sich hoch an, daß er trotzdem Johanna vorzog.
    Einmal spielte Fancy De Lucca ein Turnier in Paris. Die De Lucca, gehetzt von Erfolg zu Erfolg, ein Bündel Sensationund Ehrgeiz, liebte die Gesellschaft Johannas. Es ruhte die Tennismeisterin auf, aus dem Kreise ihrer hysterischen Bewunderer in die gesunde Luft Johannas zu treten.
    Johanna kam zu Fancy unmittelbar nach dem Turnier. Fancy De Lucca war angetreten gegen eine amerikanische Spielerin, die Klasse hatte, doch nicht von solcher Art, daß Fancys Sieg einen Augenblick lang hätte zweifelhaft sein können. Es war also kein sehr wichtiger Kampf, und Fancy hatte auch überlegen gesiegt. Aber Johanna erschrak, als sie die Freundin hernach in ihrer Kabine liegen sah bis ins Letzte ausgepumpt. Wie aus allen Ecken ihres Wesens zusammengekratzt mußte ihr Aufschwung während des Spiels gewesen sein, daß sie dann in so völlige Ohnmacht zusammensackte. Sie liebte Fancy De Lucca sehr, während man den braunen Leib der Erschöpften badete, frottierte, massierte. Wie sollte das werden, wenn die Freundin einer ernsthaften Konkurrentin gegenüberstand, jener jungen Mantuanerin zum Beispiel, die sie bis jetzt, ohne es sich selber einzugestehen, vermied? Und selbst wenn sie sie besiegte, es war nicht denkbar, daß sie auf mehr als zwei oder drei Jahre noch ihren Titel wahren konnte. Sie hatte nichts mehr zu gewinnen, konnte nur verlieren. Es war kein gutes Los, neunundzwanzig Jahre alt zu sein, berühmt, und sicher, daß dieser mit Kampf und Entbehrung bezahlte Ruhm nur mehr kurze Zeit vorhalten konnte.
    Fancy De Lucca hetzte weiter über den Planeten. Johanna blieb in Paris, setzte das Gleichmaß ihres Lebens fort. Aß, trank, träumte, schlief. Bis eines Tages Herr Hessreiter die Nachricht bekam, jetzt endlich sei der Ökonom Bichler in Paris. Zu Herrn Bichler vorzudringen war nicht leicht. Er wohnte in einem kleinen Hotel in Begleitung eines Sekretärs. Er war in Paris, um einen Spezialarzt zu befragen wegen seiner Blindheit. Man wußte, daß der Alte noch immer hoffte, das Licht wiederzuerlangen, aber man vermutete, er sei, trotzdem es entschieden bestritten wurde, auch wegen anderer Geschäfte in Paris.
    Die Bayern hatten sich nicht immer als Deutsche gefühlt. Ihr erster König war in französischen Diensten gestanden und hatte seinen Sohn, den späteren König Ludwig I., nach seinem französischen Souverän genannt. Ihr letzter König, Ludwig III., trug aus einem Krieg zwischen Bayern und Preußen bis zu seinem Ende eine preußische Kugel in der Hüfte. Es war nicht viel mehr als hundert Jahre her, daß ein beamteter bayrischer Wissenschaftler, um den Eintritt des Landes in den Napoleonischen Rheinbund auch ethnologisch zu fundieren, ein Memorandum ausgearbeitet hatte, die Bayern seien ihrer Natur nach Kelten, mit viel mehr inneren Bindungen an Frankreich als an Preußen. In der letzten Zeit waren von neuem Rheinbundpläne aufgetaucht. Man spielte, schon um aus dem Reich noch mehr als das Erlangte herauszuquetschen, sehr behutsam mit der Idee eines zu gründenden Staatenbundes, der von Frankreich über Süddeutschland nach der Tschechoslowakei und Polen

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