Erfolg
Amerikaner so anzuschreien, dürfte freilich nicht viel Sinn haben. Sie muß sich zusammennehmen. Sie muß mit Tüverlin ernsthaft beraten, was sie am besten und wie sie es dem Amerikaner sagt. Das wird eine Qual sein; denn lang hält sie es nicht mehr aus, logisch und in geordneten Gedanken über den Fall Krüger zu diskutieren.
Es war am Montag, daß Tüverlin ihr mitteilte, der Amerikaner werde am Donnerstag kommen, und am Dienstag rief Rechtsanwalt Löwenmaul aus München sie an, der Justizminister Messerschmidt sei bereit, sie am Donnerstag zu empfangen. Es war übel, daß sie auf diese Art den Amerikanerversäumte. Aber sicher war es richtiger, sich bei dem bayrischen Justizminister über ein bayrisches Unrecht zu beschweren, als bei einem Amerikaner.
Wenigstens bleibt es ihr jetzt erspart, daß sie nochmals mit Jacques Tüverlin über Martin Krüger reden muß. Schon wie er ihr seine bevölkerungspolitischen Theorien auseinandersetzte, hat sie Fäuste gemacht. Sie hängt an diesem Manne Jacques, sie liebt ihn, sie bewundert ihn: aber wenn er vernünftig über Martin Krüger redet, das erträgt sie nicht.
Der Minister Anton von Messerschmidt ist der Mann, der heute unmittelbar verantwortlich ist für Martin Krügers Schicksal. Sie wird diesen Mann stellen. Vielleicht wird sie ihre ganze Wut diesem Mann ins Gesicht schmeißen; vielleicht wird, wenn er ein Mensch ist, einfach der Anblick ihres Zornes genügen, den Mann klein und gefügig zu machen.
Am Mittwochabend, beiläufig, erklärte sie, morgen werde sie nach München fahren. Das tat Tüverlin leid. Er bedauerte, daß sie auf diese Art den Amerikaner nicht kennenlernen werde. Er fragte, ob sie den Wagen nehmen wolle oder die Bahn. Sie erwartete, er werde fragen, zu welchem Zweck sie in die Stadt fahre. Aber das fragte er nicht, und sie sagte es ihm auch nicht. Er war neugierig, aber nicht der Mann, einem etwas abzufragen, was man ihm nicht sagen wollte.
Der Donnerstag war trüb und neblig. Sie fuhr mit der Bahn nach München, erregt, geladen mit Zorn und Tatkraft.
15
Gedenket des Bäckergesellen
In dem Sessel also, in dem früher Klenk gesessen war, saß an diesem Donnerstag zwischen Telefon und Akten der Justizminister Anton von Messerschmidt. Während Johanna nach München fuhr, stand vor ihm der Dritte Staatsanwalt Johann Strasser und erstattete Bericht über den Fall des GendarmeriewachtmeistersBanzer. Angehörige der Riedlerschen illegalen Verbände hatten, von einer Übung heimkehrend, nach dem Genuß von Riedlerschem Freibier einen Trupp der verfassungstreuen Organisation Reichsfront überfallen und dabei einen Mann getötet und neun verwundet. Von ihren eigenen Leuten, die, im Gegensatz zu den andern, bewaffnet gewesen waren, blieben zwei verletzt am Platze. Landfriedensbruch lag vor. Es war ein Verfahren eingeleitet worden, in dem es galt, festzustellen, wer Angreifer und wer angegriffen war. Natürlich hatte die Untersuchung ein Ergebnis zutage gefördert, an dem von Anfang an niemand gezweifelt hatte: daß nämlich die verfassungstreuen, der bayrischen Regierung nicht genehmen Reichsfrontleute die Schuld trugen. Unbegreiflicherweise hatte im Lauf des Verfahrens der genannte Gendarmeriewachtmeister Banzer eidlich bekundet, die Riedlerleute seien die Angreifer gewesen. Wie er dazu kam, seinem subjektiven Wahrnehmungsvermögen mehr zu trauen als der Menschenkenntnis der Behörden, war allen, seinen Kollegen, seiner Frau und später wahrscheinlich auch ihm selber, unerklärlich. Natürlich war man über sein Zeugnis hinweggegangen. Aber ungestraft konnte man ihn nicht lassen: der Gendarmeriewachtmeister Banzer war seit seiner Aussage in dem den Riedlerschen Besitzungen nahe gelegenen Städtchen Kolberhof diffamiert. Eines Abends nun versagte die Birne der elektrischen Lampe in seiner Wohnung. Er holte sich die Birne aus seiner Wachtstube, schraubte sie ein. Damit hatte ihn sein Schicksal endgültig erreicht. Er hatte einen dem Amt gehörigen Gegenstand zu privaten Zwecken benutzt: der Dritte Staatsanwalt Johann Strasser erhob Anklage gegen ihn wegen Diebstahls. Der Behauptung des Wachtmeisters, er habe die Birne andern Tages ersetzen wollen, wurde so wenig geglaubt wie seiner Aussage von der Notwehr der Reichsfrontleute. Der widerspenstige Beamte war erledigt. Da aber geschah etwas Unerwartetes. Der Gendarmeriewachtmeister nämlich, sichere Verurteilung, Gefängnis, Dienstentlassung vor sich, hatte sich eine Kugel durch den Kopf geschossen,
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