Erfolg
sprach Eingelerntes und kämpfte um den Galeriedirektor Krüger, einen Schlawiner, der fragwürdige Bilder in die Staatssammlungen gehängt hat und verurteilt war wegen Meineids. Sie hatte es nicht leicht.
Herr von Messerschmidt ließ sie reden, unterbrach sie kaum, ließ sich einiges wiederholen, notierte einiges. Als sie zu Ende war, sagte er nicht Allgemeines, wie sie befürchtet hatte, vielmehr erklärte er, sie werde binnen zwei Monaten über das Wiederaufnahmeverfahren endgültigen Bescheid haben. Johanna schaute ihm gradaus in die Augen, wobei sie den ganzen Kopf mitdrehte. Der Landesgerichtsdirektor, erwiderte sie zweifelnd, dem die Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag zustehe, habe es abgelehnt, ihr einen absehbaren Termin zu nennen. Habe erklärt, er könne sich an keine Zeit binden. »In zwei Monaten werden Sie Bescheid haben«, sagte heftig Herr von Messerschmidt. »Noch vor der Baumblüte«, sagte er grimmig, und er nickte. Johanna hatte angesetzt, noch etwas zu fragen; aber der Grimm in seinen Worten und vor allem sein Nicken war ihr Beruhigung, eine große Bestätigung, und sie sagte nichts mehr.
Einige Zeit saßen der alte Mann und Johanna wortlos beisammen. Diese wortlose Zeit war beredter als die wortreiche vorher. Johanna wünschte, einmal, ein einziges Mal, so stumm und beredt mit Jacques Tüverlin zusammenzusein. Als sie ging, war ihr beinahe, als müßte sie den Alten trösten.
Herr von Messerschmidt ließ den Oberregierungsrat Förtsch kommen. Der Kaninchenmäulige hatte viele Akten bei sich, war unterwürfig, gerüstet, auf jede Frage eine befriedigende Antwort zu geben. Der Minister sprach wenig, schwerfällig; der Oberregierungsrat antwortete viel, schnell. Herr von Messerschmidt, wie er die Stichelhaare des Förtsch eifrig auf und ab gehen sah, dachte, es sei komisch, daß gerade dieser Mensch berufen sei, den Krüger zu einem ordentlichen Mitglied der Gesellschaft zu machen. Da er den Ausführungen des Förtsch wenig entgegenzuhalten hatte, erklärte er schließlich, er lege Gewicht auf ein besonders humanes Regiment im Zuchthaus Odelsberg. Er erklärte das schroff, und er erklärte es noch einmal, fast bittend. Der Kaninchenmäulige blieb bescheiden, devot. Er sah, was er vorher schon gewußt hatte, daß die Tage des alten Trottels, der so unverdient auf diesem Stuhle saß, gezählt waren. Er, der Kaninchenmäulige, hatte seine Hoffnung einzig und allein auf die Patrioten gesetzt und auf ihren Mann, den Hartl. Er verabschiedete sich untertänig, mit gewohnter Beflissenheit, dachte geruhsam, der Messerschmidt möge ihn am Arsch lecken, ging hin und berichtete die Unterredung mit einigen scherzhaften Anmerkungen dem Ministerialdirektor Hartl.
16
Von der Fairneß
Mittlerweile lag im Landhaus Seewinkel Mr. Daniel W. Potter herum in einem gebrechlichen Schaukelstuhl. Jacques Tüverlin, der sich einen guten Tag amüsanter Debatte machenwollte, hatte auch den Ingenieur Kaspar Pröckl herausgebeten. Der strich durch das große Zimmer, immer rastlos, in unbehaglicher Haltung, drückte sich an die Wand.
Mr. Potter hatte den Tag vorher einen Zusammenstoß mit Wahrhaft Deutschen gehabt. Er erzählte davon, vergnügt. Der Münchner Ku-Klux-Klan, meinte er, bestehe offenbar aus jungen Männern, die nicht begriffen, daß ein Match, wenn es entschieden ist, nicht wieder von vorn begonnen werden kann. Sie haben eine Reihe von Schlachten gewonnen und sehen es nicht ein, daß sie den Krieg als Ganzes verloren haben. Längst einwandfrei ausgezählt, wollten sie immer wieder von neuem zu boxen anfangen. Es lag vor eine sonderbare Unfähigkeit, runde Tatbestände aufzunehmen. Dieser Mangel an Urteilskraft dürfte, soweit er über die Struktur des menschlichen Gehirns unterrichtet sei, zurückzuführen sein auf eine Verkümmerung des zweiten Wernickeschen Sprachzentrums.
Die Zivilisation der Weißhäutigen, meinte Tüverlin, sei durch den Einbruch der germanischen Barbaren in die griechisch-römische Gesittung um tausend Jahre zurückgeworfen worden. Jetzt, nachdem man notdürftige vierhundert Jahre an jene Zivilisation angeflickt habe, drohe ein neuer Einbruch der Minderentwickelten in die Schöpfungen der Zivilisierten. Eine Phase dieses Barbarentums sei die patriotische Bewegung. Überall auf dem Planeten gebe es Individuen, in denen der Tötungsinstinkt nicht durch Sport abreagiert werden könne. Die Forderung, solche Individuen unter ständiger ärztlichen Überwachung zu halten, finde nicht
Weitere Kostenlose Bücher