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Erfolg

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Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Rechts wegen der Blutgruppe A angehören müssen. Der friedfertige Dr. Gsell, als er feststellen mußte, daß er ärgerlicherweise der Gruppe AB angehörte, nahm es ihm nicht übel. Auch als Krüger über Herzschmerzen klagte, verargte er ihm das nicht, beklopfte ihn, fand nichts, sagte ihm etwas Joviales. Zu Besorgnissen war kein Anlaß. Dieser Typ war nach seinen Erfahrungen ziemlich zäh. Als Krüger sich ein zweites Mal meldete, behorchte er ihn ein zweites Mal, geduldig, fand wieder nichts. Als Krüger ein drittes Mal kam, wurde er ungemütlich. Es war verständlich, daß der Strafgefangene 2478 sich mit seiner Hilfe gute Tage machen wollte, aber dann soll er sich gefälligst einen bessern Vorwand aussuchen. Herzschwäche. Dasabgebrauchteste, beliebteste Mittel. Die Anfälle finden nachts statt, in Einzelhaft, ohne Zeugen? Natürlich. In Gegenwart anderer hat der Herr Patient niemals Anfälle. Kennen wir. Der Herr Dr. Krüger spitzen wohl darauf, daß wir ihn ins Lazarett schicken zur Beobachtung auf Angina pectoris . Aber da ist er geschlenkt. Wir denken nicht daran, ihm auf seine Herzgeschichten hereinzufallen. Man ist etwas down nach sechzehn Monaten Zuchthaus. Wenn man aus einer üppigen Vergangenheit zu uns kommt, dann empfindet man uns als etwas spartanisch, es treten gewisse Veränderungen ein, nervöse Magenbeschwerden, Verdauungsstörungen, Aufschwemmung, dann Abmagerung, graue Hautfarbe. Das ist nicht weiter erstaunlich. Das ist üblich. Das gibt sich. Angina pectoris . Das könnte ihm so passen. Da könnte jeder kommen.
    So also stand der Arzt zu dem Gefangenen, ein wenig mißtrauisch, doch nicht ohne Hilfsbereitschaft. Wie nun jetzt, nach den sechsunddreißig Stunden Tobzelle, Krüger zu ihm sagte, daß wohl er einmal, nicht aber Dr. Gsell hier herauskomme, traf diese Antwort den Arzt, wo er am empfindlichsten war. Doch er vergalt es dem geschwächten Mann nicht; vielmehr verordnete er ihm Zusatzkost, Arbeitsruhe.
    Allein bald darauf klagte Krüger von neuem über einen Herzanfall, über das schauerliche Gefühl absoluter Vernichtung, über das schreckliche Auftauchen aus diesem Zustand, die Hilflosigkeit des Alleinseins. Die Anfälle kämen jetzt in immer kürzeren Abständen. Er bat dringend, der Arzt möge doch eine Glocke mitbringen lassen oder irgendein Mittel, daß er jemanden herbeirufen könne; er fürchte, einmal werde er einen solchen Anfall nicht überstehen. Da konnte trotz sichtlicher Bemühung Dr. Ferdinand Gsell seine Jovialität nicht festhalten. Er nannte Martin Krüger kurzerhand einen wichtigmacherischen Simulanten.
    Allein Martin Krüger simulierte nicht.
    Im übrigen kam es nach jenem Aufenthalt in der Tobzelle zu einer Art Waffenstillstand zwischen ihm und dem Direktor.Es wird Martin, was immer Förtsch unternehmen wird, nicht mehr passieren, daß er sich hinreißen läßt.
    Er sprach, um seine Stimme zu hören, viel mit sich selber, nicht zu laut, damit die Wächter auf dem Korridor ihn nicht anzeigten. Nur wenn er wohlgesinnte Beamte auf dem Gang wußte, rezitierte er mit ganzer Stimme. Kapitel aus dem Buch über Goya am liebsten. Sonst vertrieb er sich viele Stunden der Nacht mit ausschweifenden Rachephantasien. Träumte davon, die ganze Stadt München zu vergiften, mit allem Gemensch und Getier. Malte sich die Einzelheiten aus, Knäuel Sterbender, Vergifteter. Alte Legenden, Historien nebelten hoch in ihm. Wenn es fünf Gerechte in der Stadt München gibt, dann wird Gott seine Rache scheitern lassen. Es gibt aber nicht fünf Gerechte. Er hat solange in dieser Stadt gelebt; einmal doch müßte ihm einer von den fünfen begegnet sein. Vorsichtshalber feilschte er mit Gott um die Zahl. Gott soll, will er die Stadt schonen, die Minimalgrenze erhöhen, auf zehn, wie er es schon einmal gemacht hat. Gott war gnädig. Gott hatte ein Einsehen. Gott stimmte zu. Da lachte Martin Krüger voll Hohn und Triumph. Jetzt war es aus mit der Scheißstadt. Daß sich nicht zehn Gerechte in ihr fänden, darüber war er beruhigt.
    Diesmal als Johanna ihn besuchte, war ihre Spannung größer als die seine. Er hatte sich nichts zurechtgelegt, was er ihr sagen wollte. Wiederaufnahme, Strafunterbrechung, Amnestie beschäftigten ihn Tag und Nacht. Denn wenn er auch schwach war, er blieb zäh; aber Erwartung hatte er keine. Gewiß, es gab das, Wiederaufnahme, Amnestie. Es gab auch das Meer, das man überqueren konnte mit einem Schiff und mit einem Flugzeug. Es gab auch den Planeten Mars, und vielleicht

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