Erfolg
schaute etwas ratlos um sich. »Wieso heimlich?« sagte sie. »Ich finde es schrecklich ungemütlich. Da ist doch alles schmutzig, wohin soll man sich denn da setzen? Und wenn man nur einen Schritt macht, hat man die Schuhe voll Dreck und Wasser.« – »Ich habe nämlich ein Blockhaus fünf Minuten von hier«, sagte der Feine und lächelte mit weißen Zähnen und roten Lippen. »Für einkleines Souper ist vorgesorgt. Es wäre mir eine besondere Freude, wenn das Fräulein mir die Ehre geben wollte.« Und er sah sie frech und dringlich an mit seinen blauen, zupackenden Augen. Die Amalia, halb schon gewonnen durch seine kavaliermäßige Art, schaute noch zögernd auf den Ludwig; aber es war mehr Ziererei als Bedenken. »Also aufgeht’s«, sagte der Ludwig, »machen wir keine Faxen«, und stieg schon aus dem Wagen. Sie folgte ihm, trat in glitschigen Schnee, schrie geziert auf, sagte unmutig, das sei ja eine Sauerei in diesem Wetter.
Der Feine und der Ludwig nahmen sie in die Mitte, boten ihr den Arm; der Ungeschlachte stampfte hinterdrein. So zog man los, einen dünnen Pfad in den Wald hinein. Starkfarbige Wolken folgten einander rasch; weiche, warme Stöße Windes kamen einem entgegen von rechts und von links. Ein ganz schmaler, krummer Mond stand halbschräg über den Bäumen. Überall tropfte und rann es und glitschte unter den Füßen; weißlich schmutzig schimmerten Pfützen zerrinnenden Schnees. Kam eine größere Pfütze, dann faßten der Ludwig und der Feine das Mädchen kräftiger unter, brachten sie mit einem Schwung über die unangenehme Stelle, und es war eigentlich ganz lustig. »Die Herren haben einen Schmalz in den Muskeln«, sagte anerkennend die Amalia. »Aber jetzt sind es schon fünf Minuten«, sagte sie. »Ist es noch weit bis zu dem Herrn seiner Villa?« – »Nein, es ist nicht mehr weit«, sagte der Feine.
Der Pfad hörte vollends auf, man mußte quer durch Unterholz. »Aber das ist ja kein Weg«, sagte die Amalia. Man hob sie hoch, trug sie, ab und zu schrammten sie Äste, eigentlich war es eine Gaudi, so auf kräftigen Männerarmen im warmen Wind durch den Wald getragen zu werden. »Das ist ja überhaupt kein Weg«, wiederholte sie. »Wie kommen Sie denn nachher zu Ihrer Villa?« – »Wo eine Villa ist, ist auch ein Weg«, sagte der Feine und lächelte zu ihr hinauf. Mit was für gebildeten Leuten ihr Ludwig verkehrte.
Seitdem es durch das Unterholz ging, stapfte der Ungeschlachtenicht mehr hinterdrein, sondern voraus, Zweige zurückbiegend, niederhaltend, als Schrittmacher. Erich Bornhaak begann das Ganze langweilig zu finden. Der warme Wind irritierte ihn fast so wie das Geschnatter der Gans auf seinem Arm. Der Boxer Alois hingegen war nicht angefochten von dem Wind. Er war voll von dumpfer Tatlust.
Man kam an eine Lichtung. Die Männer setzten das Mädchen ab. »Ist hier Ihre Villa?« fragte sie albern. Die Männer sagten nichts. »Ah«, sagte sie, »bin ich Ihnen doch zu schwer geworden? Müssen Sie verschnaufen?« – »Wird bald ein anderer verschnaufen«, brummte der Boxer. »Was haben Sie eigentlich?« fragte das Mädchen, als dann keiner mehr was sagte, sondern alle ungemütlich herumstanden. Der Ludwig zog jetzt ein Papier aus der Tasche seiner Lederjacke und verlas: »Die Hausgehilfin Amalia Sandhuber hat vaterländische Geheimnisse verraten. Verräter verfallen der Feme.« Die Amalia schaute ihn an, begriff nicht. Sie hielt es für einen Spaß, aber sie fand es keinen gescheiten Spaß; außerdem war es hier so naß und schmutzig, und wenn man nicht bald ins Trockene kommt, wird man morgen einen zünftigen Katarrh haben. »Ich mein, jetzt sollte man schon endlich in Ihre Villa gehen oder nach Starnberg; die Luft macht einen hungrig.« Der Boxer Alois ergrimmte sehr ob solchen Zynismus. »Ich meine«, sagte er, und er sprach fast wie gedruckt, »es sollte eines nicht so verstockt sein in der Stunde seines Absterbens.« – »Das ist ein Gspaßiger, Ihr Herr Freund«, sagte Amalia und schaute sich etwas ratlos nach den andern um, die aber nicht recht herschauten. Infolgedessen bekam sie keinen Blick mehr von einem andern Menschen, sondern das letzte Menschenantlitz, das sie sah, war das des Alois Kutzner, der jetzt auf sie zukam und ihr, bevor sie schreien konnte, ja eigentlich bevor sie erschrecken konnte, einen Schlag versetzte mit einem großen Hufeisen, das er neuerdings als Glückszeichen bei sich trug. Dann kniete er neben sie, betete ein rasches Vaterunser, daß Gott ihm
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