Erfolg
die Kraft verleihe, sie vollends zu erledigen, und erwürgte sie.
Da lag sie in Schmutz und schmelzendem Schnee. Sie hatte sich für die Autofahrt sonntäglich angezogen, einen sehr kurzen Rock, wie er damals in Mode kam. Der Rock hatte sich hinausgeschoben; über dem Knie war ein kleiner Streifen Fleisches sichtbar und eine weiße, derbe Hose. Die drallen Beine staken in zu zierlichen Schuhen. Der Hut war verrutscht; aus dem schwärzlichblauen Gesicht mit den kurzgeschnittenen, harten Haaren hing die Zunge.
Erich rauchte eine Zigarette, trat von einem Fuß auf den andern. Längstens vierzehn Tage gab er sich, längstens vierzehn Tage durfte es dauern, bis dahin mußte es sich auswirken, bis dahin mußte er den Georg frei haben, und unvermittelt packte er die Tote mit einem harten, zufahrenden Blick. Ludwig Ratzenberger überlegte befriedigt, daß es schnell gegangen sei, und daß er bequem um zehn Uhr dreißig zurück sein könne an Pfaundlers Restaurant, um seinen Herrn, den Rupert Kutzner, abzuholen. Der Boxer Alois streifte sich Schnee und Schmutz von den Knien. »So müssen sie alle hin werden, die Bagage«, brummte er, und er grub durch den Schnee einen dürren Ast in den Boden neben dem Leichnam. Daran steckte er einen großen Zettel mit einer primitiv gezeichneten schwarzen Hand und der Inschrift: »Verräter, hütet euch!« Er tat das, weil die Vorschrift lautete: »Die Verräter sind umzubringen, und zwar unter Hinterlassung eines Merkmals, das die Motive der Tat zweifelsfrei erscheinen läßt.«
»So einfach geht’s doch nicht«, sagte tadelnd Ludwig Ratzenberger. Er zog das Urteil heraus, das in Maschinenschrift geschrieben war, und vertauschte es gegen das Plakat, das der Boxer auf dem dürren Ast angebracht hatte. Aber das war dem Boxer nicht recht; die kahle Maschinenschrift gab ihm kein Bild seiner Tat und ihrer Bedeutung, und er bestand darauf, daß der Zettel mit der schwarzen Hand bleibe. Erich Bornhaak schlug vor, daß man beides dalassen sollte. Darauf einigte man sich, und so geschah es.
24
Ein Brief in der Nacht
Die Beseitigung der Hausgehilfin Amalia Sandhuber, trotz der wilden Wechselfälle in Politik und Wirtschaft, erregte ungeheures Aufsehen. Der Polizeibericht zwar beschränkte sich auf eine kurze Meldung vom Fund der Leiche, und die Mehrzahl der Münchner Zeitungen brachte die Meldung ohne Kommentar. Auf Anfrage erklärten die offiziellen Polizeistellen, die Täter hätten die Inschrift bei der Leiche angebracht, nur um von den wirklichen Motiven abzulenken, die wahrscheinlich privater Natur seien. Die Tote sei Männern sehr zugänglich gewesen, die Vermutung liege nahe, es habe sie einer hinausgelockt, um sie zu berauben. Der Metzgergeselle, mit dem sie sich in der letzten Zeit öfters hatte sehen lassen, wurde denn auch auf einige Tage verhaftet. Die Münchner Linksblätter aber blieben hartnäckig dabei, die Tat sei lediglich aus politischen Gründen verübt worden. Auch die Berliner Presse griff den Fall auf, brachte heftige Artikel. Erklärte, schon die indianerhaft läppische Kostümierung der Tat sei Beweis genug, daß Patrioten die Urheber seien. Forderte erregt, das Reich müsse, wenn Bayern dazu außerstande sei, den blutigen Unfug steuern. Eine Interpellation über die bayrischen Dinge wurde angekündigt, als Redner wurde Dr. Geyer genannt.
Unter den Patrioten wußte man allgemein, daß Erich Bornhaak der Täter war. Man fand, er habe seine Aufgabe elegant gelöst, mit Schmiß. Die Gans zu erledigen, dazu gehörte nicht viel; wohl aber gehörte Schneid dazu, die Öffentlichkeit zu warnen, ihr deutlich zu machen: wir sind die Täter. Denn daß die Polizei auch das schlucken werde, war keineswegs von Anfang an ausgemacht.
Erich wärmte seine Erwartung an dem respektvollen Geraun ringsum. Ritt spazieren im Englischen Garten mit Simon Staudacher. Trat forsch auf im Parteisekretariat. DieInsarowa, mit halboffenem Mund, tastete ihn mit den Augen ab, demütig, begehrlich.
Als er erfuhr, Dr. Geyer werde interpellieren, lächelte er tief, befriedigt. Seine Tat hatte den Alten getroffen, sie war gut. Er blieb den Abend zu Hause, schon angeödet von der Bewunderung der Kameraden. Er ging herum zwischen den Photographien von Dellmaiers, Vesemanns, Kutzners, zwischen den Hundemasken. Bei Gelegenheit könnte er der Insarowa eine Maske abnehmen. Warum eigentlich hat er die Maske jener Johanna Krain nicht aufgehängt? Diskretion? Alberne Sentimentalität.
Er kramte die Maske hervor,
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